Bio-Rob-Riemann-2-HugoRiemann.pdf
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DUMMHEITUNDEINSICHT
AusmeinemLebenI
vonRobertRiemann
ZweitesKapitel.
HugoRiemann.
DurchmeinganzesLebenziehtsichdieFrage:"SindSieeinSohnvonHugoRiemann?"
BeimMilit
ä
rwurdesiegelegentlichinsDerbeabgewandelt:"HabenSieetwasmitdem
Musikmenschenzutun?"WennwirinFrankreicheinKonversationslexikonstehensahen,
schlugenwiresaufundfandendarineinenArtikel
ü
berHugoRiemann.RussischeO
ziere
sagtenmir,meinVaterhabeTschaikowskynichtrichtigcharakterisiert.MeinSohnTord
fandinBerlinalsStudentbeiderGattinseinesProfessorsimB
ü
cherschrankRiemanns
Musiklexikon,seineHarmonielehreundandereSchriften.AlsdieLeipzigerNotendrucker
eineH
ä
ndelfeierveranstalteten,lie
ÿ
ensiesichvonmireineRede
ü
berdiesenBarock-
meisterhaltenundwolltensichdannauchnochmusikalischeKursevonmirhaltenlassen,
woraufichentsetzterwiderte:"Ihrseidverr
ü
ckt!DieH
ä
ndelredehabeichmirgl
ü
cklich
ausdemMusiklexikonzusammengestoppelt,aberichbintotalunmusikalisch.Ichkenne
nochnichteinmaldieNoten."Dasglaubtensiemirnicht,sondernzogengekr
ä
nktab.1949
wandtesichdieGattinRomainRollandsanmich,alssiedieBriefeihresMannessam-
melte,undichmu
ÿ
teihrbetr
ü
btantworten:"EsgibtkeinenhandschriftlichenNachla
ÿ
HugoRiemannsmehr."DieamerikanischenBombenhattenam4.Dezember1943alles
vernichtet,auchdie
ä
u
ÿ
erstlebendiggeschriebenenLebenserinnerungenmeinerMutter
inUrschriftundAbschrift.EinigePartiendaraus,dieichf
ü
rdenMusikhistorikerWil-
libaldGurlittkopierthatte,k
ö
nnensicherhaltenhaben,aberdasistnichtdasGanze.
VonmeinenBr
ü
dernundSchwesternlebtnurnochdereineMedizinerKonrad,dermir
einmalgesagthat,erhabekeinenrechtenSinnf
ü
rFamiliengeschichte.Pers
ö
nlicheEr-
innerungenkannalsovoneinigenaltenSch
ü
lernmeinesVatersabgesehen,nurnochich
mitteilen.DiesesKapitelhathistorischenWertunddamitAnspruchaufmehrRaumin
diesemBuchalsjedesandere.
KarlWilhelmJuliusHugoRiemannwurdeam18.Juli1849aufdemRitterguteGro
ÿ
-
mehlra,dasseinemVaterRobertRiemanngeh
ö
rte,geboren.DieserVaterhieltsichf
ü
r
einenHunderttausendtalermann,hatteabervierKinder,Hugo,Anna,OttoundPaul,
soda
ÿ
dieErbschaftjedeseinzelnennichtsehrbedeutendwar.Eswurdeebendamit
gerechnet,da
ÿ
jedesKindwiederreichheiratete.OttoundPaulhabendasauchgetan.
Annaheirateteabereinenunbeg
ü
tertenPfarrer,undmeineMutterwardieTochterei-
nesIndustriellen.,derzw
ö
lfKinderhatte.ImmerhinkammeinVaterganzausdemalten
nochhalbfeudalenDeutschland.Gernschilderteereinenvierzehnt
ä
gigenMarschdurch
Schwarzburg,dereralsTertianergemachthatte.JedenAbendwurdeaufeinemanderen
Gutbein
ä
heroderfernerVerwandten
ü
bernachtet.Schon1919warkeineinzigesvon
diesenG
ü
ternmehrimBesitzederFamilie.DieBesitzerhabenalsonichtgutgewirt-
schaftet,aberimmerhineinen
delerenWegeingeschlagen,ihreG
ü
terloszuwerden,als
wenndieselben1945kon
sziertundaufgeteiltwordenw
ä
ren.
Gewisserma
ÿ
enwarschonmeinGro
ÿ
vaterRobertausderArtgeschlagen.Erwar
einigeZeitKorpsstudentgewesenundvielleichtsogarbisweileninsKolleggegangen.Seine
gro
ÿ
eErinnerungwareineSchlittenfahrt,beiderertrotzgrimmigerK
ä
lteinUnterhosen
vorangerittenwar,weildiePl
ä
tterinseinewei
ÿ
enHosennichtrechtzeitigwiedergebracht
2
CreativeCommons-Lizenz
'TordR.Riemann,www.hugo-riemann.de, 2008
hatte.Erwareinkr
ä
ftiger,abersp
ä
ter
ü
berauskorpulenterMannundwurdeeinundsieb-
zigJahrealt,erblindeteaberschonzehnJahrevorseinemEnde.DerArztsagteihm,die
Erblindungk
ö
nnewenigstensverz
ö
gertwerden,wenneraufdenGenu
ÿ
alkoholischerGe-
tr
ä
nkeverzichte.DarauferwidertederGro
ÿ
vater:"WennichkeinBiermehrtrinkensoll,
machtmirdasLebenkeinenSpa
ÿ
mehr."N
ä
chstdemBiergeh
ö
rteseineganzeLiebeder
Musik.ErphantasiertestundenlangamFl
ü
gel,komponierteKommersliederundschufso-
gareineOper"Gismonda"imitalienischenStile.SeineFrau,Luise,geboreneKleemann,
einev
ö
lligunk
ü
nstlerische,n
ü
chterneundkleinlicheNatur,betrachtetediesemusikali-
scheBet
ä
tigungalsunstandesgem
äÿ
.SiezeigtebeijederGelegenheitihreMi
ÿ
achtung
derMusik.DieFolgewar,da
ÿ
sichmeinGro
ÿ
vatereineNebeneheinderaufdemGute
liegendenWirtschafteinrichtete,dortt
ä
glichmehrereStundenmusizierteundBiertrank
undsichvonderWirtinundseinerillegitimenTochterbewundernlie
ÿ
.DieGro
ÿ
mutter,
derdaseinGreuelwar,sorgtedaf
ü
r,da
ÿ
vondieS
ö
hneHugoundOttofr
ü
hausdem
Hausekamen,damitsienichtvondemunsolidenLebenswandeldesFamilienoberhauptes
angestecktw
ü
rden.Siewarsehrentt
ä
uscht,alssichmeinVaterdanndochderverha
ÿ
-
tenMusikzuwandte.IhrLieblingssohnwarOtto,deresbiszumGeneralbrachte.Das
tratauchsp
ä
terbeijederFamilienzusammenkunfthervor.DieBilderderO
ziersfamilie
warenalleinsch
ö
nenRahmenaufgeh
ä
ngtoderaufgestellt.UnserePhotographienaber
warenungerahmtandieseBilderangelehnt,soda
ÿ
mansehrwohlsah,da
ÿ
sieimletzten
AugenblickausirgendeinerSchubladevorgekramtundaufgestelltwordenwaren.Mituns
warebenkeinStaatzumachen.DenUnterschiedzwischeneinemLeierkastenmannund
einemMusikgelehrtenhatmeineGro
ÿ
mutterniebegri
en.Vermutlichhieltsieauchdie
LohkonzertedesF
ü
rstenvonSchwarzburg-Sondershausenf
ü
reineunbegrei
icheEntglei-
sung.Jedenfallsgingsieniemals"insLoh",wiedieSondersh
ä
userzusagenp
egten.
MeinVaterbesuchtezun
ä
chstdasf
ü
rstlicheGymnasiuminSondershausen.Erwar
Tertioner,alsihnseinKlassenlehrerinderAbendd
ä
mmerungmiteinerTochterdesweit
ü
berSondershausenbekanntenBotanikersIrmischspazierengehensah.Heutzutagew
ü
rde
keinMenschetwasdabei
nden,aberinderdamaligenEpochestumpfsinnigerPedanterie
betrachtetemaneinenAbendspaziergangmiteinemweiblichenWesenalseinmoralisches
VersehenundbelegtemeinenVatermiteinerSchulstrafe.DaraufschrieberseinemVater
einenlangenBrief
ü
ber"DieFreudendesLandlebens."DerGro
ÿ
vaterbegri
dieSituati-
onvollkommen,lie
ÿ
anspannen,fuhrnachSondershausenundsagtemeinemaufdenKopf
zu:"DuhastdichmitDeinenLehrerngezankt!"MeinVaterbejahtedas,derGro
ÿ
vater
meldeteihnabundbrachteihnaufdieKlosterschuleRo
ÿ
leben.VonseinenSchuljahren
inRo
ÿ
lebenhatmeinVaterimmergeschw
ä
rmt,wiedasjafastalleInternatssch
ü
lertun.
DieBehandlungwar
ä
u
ÿ
ersthuman,derUmgangstongebildetundderSprachunterricht
ausgezeichnet.Bisinseinsp
ä
tesAlterlasmeinVaternichtnurlateinische,sondernauch
griechischeTextevollkommen
ottundohneW
ö
rterbuchundwundertesichimmerwieder
dar
ü
ber,wiewenigindenaltenSprachenvonunsverlangtwurde.Daf
ü
rwarderUnter-
richtindenrealistischenF
ä
chern,namentlichinderMathematik,dieeinalterProfessor
Antongab,
ä
u
ÿ
erstschwach.MeinVaterhatdasabersp
ä
ternachgeholtundistsogar
biszurIntegralrechnungvorgedrungen.Erp
egtezusagen,MathematikundMusikseien
innerlichverwandt.Zahlenverh
ä
ltnissespielteninbeidendieHauptrolle,ebensoaberauch
Aufbauten,architektonischeGebilde,diesichinderMusikausKl
ä
ngenbildeten.Erkam
danngew
ö
hnlichaufPythagoras,PlatoundBoethinszusprechen.Dabeigingmirerst
rechtauf,da
ÿ
ichunmusikalischwar,denninmeinemKopfewolltesichniemalsausden
vor
ü
berrauschendenKl
ä
ngenein
ü
bersehbaresGebilde,indemdieeinzelnenTeileinbe-
stimmtenVerh
ä
ltnissenstanden,formen.MeinVatersagte,ichh
ä
tte
ü
berhauptnurSinn
www.hugo-riemann.de
R.RIEMANN
DUMMHEITundEINSICHT
AusmeinemLeben(1877-1962) 3
f
ü
rRhythmus,f
ü
rTrommelundPauke,aberkeinenf
ü
rsMelodische.Dashabeichdann
benutzt,ummichinderSchulevomGesangsunterrichtschonabQuartadispensierenzu
lassen.DieGesanglehrerlie
ÿ
ensichgerndaraufein,weilichmitmeinerRiesenstimme
solautsangwiealleanderenzusammenunddurchmeineverkehrtenT
ö
neallesinUn-
ordnungbrachte.DaraushabeichabernichtwiemeineGro
ÿ
mutterdieSchlu
ÿ
folgerung
gezogen,da
ÿ
alleMusikminderwertigsei,sondernhabesiemitEhrfurchtalseinemir
verschlosseneWeltvonau
ÿ
enbestaunt.Konzertehabeichnat
ü
rlichnichtbesucht;dann
wassollteichdort?
AlsPrimanerinRo
ÿ
leben
ü
btemeinVateraufdemKlavier,dasderPastordesOrtes
besa
ÿ
.DieserhattesovieleKinder,da
ÿ
manseineFrau"dieH
ä
sin"nannte.MeinVater
lernteauchdieT
ö
chterdesPastorskennen.Einevonihnentrafersp
ä
terinLeipzigals
Gattindesber
ü
hmtenP
ä
dagogenHugoGaudigwieder.DiebeidenFamilienverkehrten
dannmiteinander,undichhabeRosemarieGaudigschon,alssienochimSteckkissenlag,
kennengelernt.Alssiesp
ä
terdenKommunistenf
ü
hrerSackeheiratete,konnteichihnen
beiderEinb
ü
rgerungdesselbenbehil
ichsein,dieihnabernichtdavorsch
ü
tzte,von
denNazisermordetzuwerden.MitderWitwearbeiteteichzusammen,alssieDekan
derArbeiter-undBauernfakult
ä
twurde.Gefallenhatesmirabernicht,da
ÿ
siesich
erstSacke-GaudignannteunddanndasGaudigfortlie
ÿ
,weildieReformp
ä
dagogik
KerschensteinersundGaudigspolitischinVerrufgeratenwar.Esistschw
ä
chlich,seine
Herkunftzuverleugnen.Loswirdmansiejadochdadurchnicht.
WennFrauSchulratGaudigundmeinVaterzusammensa
ÿ
en,schw
ä
rmtensiesofort
vonRo
ÿ
leben.GanzohneKon
iktkamabermeinVaterauchdurchdieseSchulenicht.
Ro
ÿ
lebenbekameinenneuenRektor,derdortpreu
ÿ
ischeZuchteinf
ü
hrenwollteund
deshalbdenPrimanerndenBesuchdeseinzigenCafØsverbot,dasesimOrtgab.Die
PrimanerbeschlossensichihrRechtnichtverk
ü
mmernzulassen,undgingeneinesNach-
mittagsalleindasCafØ.Eslagsotief,da
ÿ
mandieG
ä
stenichtsah,wennsiesa
ÿ
en,
sondernnur,wennsiestanden.MeinVaterhatteeineunglaublicheAbscheugegenSpin-
nen.Ihmwurdesofort
ü
bel,wennereinesah.AlserindemCafØPlatzgenommenhatte,
liefeinegro
ÿ
eSpinnequer
ü
berdenTischvorihm.ErfuhrindieH
ö
he,undindiesemAu-
genblickgingderInspektorderKlosterschuleRo
ÿ
lebenamFenstervorbeiundsahihn,
ebensodenNe
endesOberpr
ä
sidentenderProvinz.DieserJ
ü
nglingwarunwillk
ü
rlich
mitaufgesprungen,alsmeinVatersopl
ö
tzlichindieH
ö
hefuhr.DerunerbittlicheRektor
erkl
ä
rte,da
ÿ
beidePrimanersofortdieAnstaltzuverlassenh
ä
tten,weilsieeinengerade
erstvonihmerlassenenBefehltrotzig
ü
bertretenh
ä
tten.Sowurdenbeidegescha
ÿ
t.Die
SachehattenochdasNachspiel,da
ÿ
sichderNe
edesOberpr
ä
sidentenbeiseinemOnkel
beschwerte.DaraufwurdezwarnichtdieBestrafungaufgehoben,aberderRektorwurde
alsdrittervonseinemPostenentfernt.WahrscheinlichwardieMi
ÿ
achtungdesNe
en
einesOberpr
ä
sidentenindempreu
ÿ
ischenMilit
ä
rstaateebenfallseinschweresvergehen.
DiebeidenPrimanerkonntensichalso
ü
berihrSchicksaltr
ö
sten.
SomachtemeinVaterseinAbiturnichtinRo
ÿ
leben,obwohlerdorteinerderbesten
Sch
ü
lerwar.ErundseinFreundBornstedt,denwirsp
ä
terinWiesbadenwiedertrafen,
warenimmerabwechselndderersteundderzweiteinderKlasse,bismanaufUnterprima
beschlo
ÿ
,sienichtmehrdenPlatzwechselnzulassen.DurchdenAbgangmeinesVaters
wurdeBornstedtderunbestrittenePrimus.MeinVatermachteseinAbiturinArnstadt,
wasnachdergutenVorbereitunginRo
ÿ
lebeneinKinderspielwar.ErginginArnstadt
gernmitderTochterderWitwe,beidererwohnte,ineinergro
ÿ
enLindenalleespazieren.
DerDuftderbl
ü
hendenLinden,vondemdasM
ä
dchenschw
ä
rmte,wirktenichtaufseine
Geruchsorgane.Erf
ü
hrtedasaufseinstarkesRauchenzur
ü
ck,aberdashalteichf
ü
r
www.hugo-riemann.de
4
CreativeCommons-Lizenz
'TordR.Riemann,www.hugo-riemann.de, 2008
falsch.DasRauchenisteinGenu
ÿ
vonGer
ü
chen.Bl
ü
tenduftwirktgeradeaufRaucher,
wieichnichtnuranmirselbst,sondernauchanvielenanderenbeobachtethabe.Die
Sacheh
ö
rterstauf,wennmansichdieRaucherbronchitisgeholthat,unddaskommterst
imAlter.MutterundTochterfreundetensichinArnstadtmitmeinemVatersoan,da
ÿ
sie
ihmzumAbschiedAnastasiusGr
ü
ns"Schutt"schenkten.ErhatdasExemplarderetwas
reichlichk
ü
nstlichenDichtungbiszuseinemTodeaufgehobenundoftdaringebl
ä
ttert.
DieTochterhaterauchbesungen;dennseineeigentlicheMusewardamalsnochgarnicht
dieMusik,sonderndieDichtung.KeinweiblichesWesen,dasseinenWegkreuzte,entging
demSchicksal,inVersenverewigtzuwerden.MeineMutterwarschonverwundert,als
ihrmeinVatereinesTagesalledieseEreignissevorlasundauchnochverlangte,da
ÿ
sie
sichdaf
ü
rbegeisternsollte.Eswareinbi
ÿ
chenviel,waserdaforderte;denngeradesie
hatteernichtbesungen,sonderngeheiratet."DieNachtigallsingtauchnurvorher,"sagt
StindesMadameBuchholz.
Nat
ü
rlichbehandeltemeinVaterinseinenGedichtenauchLandschaften,vorallem
aberProblemederKunst,der˜sthetik,unddasergabsehrabstrakteSch
ö
pfungen.Es
wargep
egteEpigonendichtung,meistimStileGeibels,derdamalsalsdergr
öÿ
tedeut-
scheDichterbetrachtetwurde.AlsmeinVaterseineGedichteeinigeJahresp
ä
terdem
GermanistenWilhelmScherervorlegte,f
ä
lltedieserdaswahrscheinlichsehrrichtigeUr-
teil:"SiewerdenmitderZeitmerken,da
ÿ
mandie˜sthetikbesserinProsavortr
ä
gtals
inVersen."DiesemRateistmeinVatergefolgt.Esw
ä
reaucheinesonderbareSache,wenn
erseineHarmonielehreinVersengeschriebenh
ä
tte.
MeinVaterhattezwarsehrzarte,f
ö
rmlichTizianischeH
ä
nde,warabervonhohem
Wuchs.DaherdienteerseinEinj
ä
hrigenjahrbeimKaiserAlexanderGardeGrenadierre-
gimentinBerlinab.WenneinmalderDienstaus
el,besuchteerdieUniversit
ä
t.Erholte
sichabereineKrankheit,laglangeimLazarettundwurdedeshalbnichtbef
ö
rdert.Seine
StudiensetzteerinT
ü
bingenfortundtratineinsehrvornehmesKorps,dieT
ü
binger
Schwaben,ein,dasdieGunstdesW
ü
ttembergerK
ö
nigshausesgeno
ÿ
.AufderMensur
verlorerdurcheinenfalschgef
ü
hrtenHiebdieNasenspitze,wurdeabernichtdadurch
entstellt.EristeinganzesLebenhindurchimmeroptimistisch,heiter,liebensw
ü
rdigund
gesellschaftlich
ä
u
ÿ
erstgewandtgewesen,soda
ÿ
ihnmirmeineMutteroftalsMusteremp-
fahl,wennichetwasknorrigerdurchsLebensegelte.AlsKorpsstudenterschienmeinVater
einesTagesmiteinerriesenBulldogge,dieersichgekaufthatte,undnahmdabeiBezug
aufdieallenbekannteBierredevondemEinsiedler,dervonHeuschreckenundwildem
HoniglebteundsichnuranhohenFesttageneineWurzelleistete.MeinVaterstelltealso
seinUnget
ü
mmitdenWortenvor:"IchhabemireineWurzelgeleistet!"Fortanhie
ÿ
die
BulldoggeWurzel.EinigeTagesp
ä
terkamderHundeh
ä
ndlerwieder,brachteeinezweite
Bulldoggemitundh
ä
ngtesieebenfallsmeinemVaterauf.SiewurdealsBruderWurzels
Radieschengetauft.SozogmeinVatermitWurzelundRadiescheninT
ü
bingenumher.
DabeibegegneteereinesTageseinemPriester,dessen
atterndeSutaneWurzelreizte.
DieBulldoggefuhraufdenPriesterlos,derindemschwarzenUnget
ü
mdenTeufelzu
ahnenschien;dennerexorzisiertedasTiersofort.MeinVaterhattealleM
ü
he,dendurch
diefeierlichenFl
ü
chenochmehrgereiztenHundvondemPriesterwiederabzubringen.
Mansieht,da
ÿ
dieVoraussetzungenderPudelszeneinGoethes"Faust"ins
ü
ddeutschen
Landschaftensehrlangelebendiggebliebensind.Leute,dieesf
ü
rnat
ü
rlichhalten,dem
TeufelaufderStra
ÿ
ezubegegnen,sindganzgewi
ÿ
keineHeuchler.
WurzelundRadieschennahmenkeingutesEnde.SiewurdenvonderStaupebefallen,
vielleichtauchvomDelirium.DaskambeiKorpshunden
ö
ftersvor,weildiesew
ä
hrendder
unendlichlangenGelageindenverqualmtenR
ä
umenDurstbekamenundihnmitdem
www.hugo-riemann.de
R.RIEMANN
DUMMHEITundEINSICHT
AusmeinemLeben(1877-1962) 5
Tr
ö
pfelbierunterdemFassezul
ö
schenp
egten.DaswurdevondenbezechtenStudenten
alseinBeweisvonBierehrlichkeitbetrachtetundmitgro
ÿ
emJubelbegr
üÿ
t,bekamden
Tierenaberschlecht.WurzelundRadieschen
eleneinesNachts
ü
berdiebeiHo
mann
undCampeerschienezweiundzwanzigb
ä
ndigeAusgabederWerkeHeinrichHeinesher,
diesichmeinVatergeradegekaufthatte.SieknabbertenverschiedeneB
ä
ndeanund
fra
ÿ
endas"BuchderLieder"restlosauf.Amn
ä
chstenMorgenwarWurzeltot,und
RadieschenwurdevomTierarztget
ö
tet,weildiesernichtrechtwu
ÿ
te,obessichnicht
umTollwuthandelte.MeinVaterp
egteseitdemzusagen:"Ja,HeinrichHeine!Die
Bulldoggenk
ö
nnenseinevergiftetenPointennichtvertragen!"
AusdiesemlustigenStudentenlebenri
ÿ
meinenVaterderKrieg1870/71,indemeres
nurbiszumUntero
zierbrachte.Ergeh
ö
rtezumTh
ü
ringerRegiment[Warning:Image
notfound]71,unddagabeswenigGelegenheit,sichauszuzeichnen.DasRegimentwurde
infolgesonderbarerZuf
ä
lleimmerersteingesetzt,wenndieSacheschonbeinahevorbei
war.Daf
ü
rhatessichabermitgro
ÿ
emEiferandemFackelzugemitaufdieBajonette
gep
anztenKerzennachdemSiegebeiSedanbeteiligt.DankbargedachtemeinVater
einesHauptmannesHerbst,dervoreinerAktionfolgendeRedeandieMannschafthielt:
"Kerls!DieSachewirdernst!Jetztmu
ÿ
ichesabergescheitanfangen,damiticheuchalle
wiedergesundnachHausebringe!"
WirklichernstwurdedieSache,alsdieParisereinenpl
ö
tzlichenAusfallmachtenund
geradedasDorfwegnahmen,indemdieEinundsiebzigerlagen.DieStellungenmu
ÿ
ten
zur
ü
ckerobertwerden.Daswarnat
ü
rlichnurunterVerlustenm
ö
glich,undmeinVater
glaubte,unterdenGefallenenseinenBruderOttozuerkennen,deramTagevorherbeim
Regimenteingetro
enwar.GanzsicherwarmeinVaterseinerSachenicht.Ersagtezu
denO
zieren,diesichdamalsnochumjedenGefallenenk
ü
mmerten:"Ichwei
ÿ
nicht,es
istdochetwasFremdesindemGesicht."DaraufbekamerdieAntwort:"Dasistimmer
so,derTodver
ä
ndertdieZ
ü
ge.Siem
ü
ssensichdarein
nden,da
ÿ
IhrBrudertotist."
MeinVaternahmdieLeichemitaufseineStubeunddurchwachtebeiihrdieganzeNacht.
GegenMorgenaber
elihmauf,da
ÿ
derTotealteStiefelanhatte.Daherholteerschleu-
nigstdenFeldwebelundsagtezuihm:"DasistmeinBrudernicht.Erhattenagelneue
Eigentumsstiefelan,alserankam.Siewerdensagen,da
ÿ
sieihmeinerabgezogenhat,
abersicherhatderihmdochnichtdaf
ü
rdiesealtenangezogen.""Aha,"sagteFeldwe-
bel,"dannistdasderLeberecht.DennanntenseineKameradenseitvorgesternimmer
denAvantageur,weilerihremBruderso
ä
hnlichsah,wieeinEidemanderen."Drei
Tagesp
ä
terkamdieGefangenenlisteheraus,dienachdendamaligen,andieKavaliersge-
wohnheitenderFeudalzeiterinnerndenGep
ogenheitennachjedemGefechtausgetauscht
wurde.AnsolcheR
ü
cksichtendenktheuteimKriegkeinMenschmehr.MeinVaterersah
ausderfranz
ö
sischenGefangenenliste,da
ÿ
sichseinBruderinderTatalsGefangenerim
belagertenParisbefand.ErhattesichimHinundHerdesGefechtsineinHausgewor-
fen,daskeinenhinterenAusganghatte,undwarsovondenFranzosen,dieihmfolgten,
ergri
enworden.InParisbekameramn
ä
chstenMorgeneinWei
ÿ
brot,daserzumFr
ü
h-
st
ü
ckverzehrte,undh
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rtedannmitEntsetzen,da
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esdieRationf
ü
rdreiTagewar.Er
mu
ÿ
teRing,UhrundandereWertgegenst
ä
ndeverkaufen,um
ü
berhauptetwaszuessen
zubekommen.Heuteh
ä
ttemanihnbeiderGefangennahmebereitsv
ö
lligausgepl
ü
ndert.
DieKriegesindindenletztenJahrzehntenimmerbarbarischergeworden.Die˜hnlich-
keitmiteinemDoppelg
ä
ngergiltalsromanhaftesMotiv.Hieraberhabenwirsieinv
ö
llig
gesicherten
Ü
berlieferungen.MeinVaterhatdieseGeschichtesehrofterz
ä
hlt,wennwir
G
ä
steimHausehatten.Dabeigerieter,dersonsteinsehrruhigesTemperamenthatte,
jedesmalineineAufregunghinein,indernochderSchreckenderWachtanderLeichedes
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