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FUNKY
Versuche mit NTC-Widerständen
Interaktiv mit der Umwelt
Helmut Berka, DL2MAJ
Die Bauelemente, mit denen wir bisher gearbeitet haben,
verfügen über Eigenschaften, die von der Umgebung bzw. den
Einsatzbedingungen unabhängig sind. Aber manchmal gibt es
Anwendungen, bei denen gerade eine solche Abhängigkeit
erwünscht ist. Denken wir nur daran, wie wir auf elektrischem
Weg eine Temperatur messen können.
ir benötigen dafür ein Bau-
element, das die Temperatur
in ein elektrisches Signal
umwandelt, oder zumindest eine uns
bekannte elektrische Größe wie Wider-
stand, Kapazität oder Induktivität be-
einflusst. Erfreulicherweise gibt es eine
Fülle von Widerständen, die ihren Wert
mit der Temperatur verändern. Bild 1
zeigt einen Vertreter.
das Voltmeter. Vorausgesetzt, das Expe-
riment wird im relativ kühlen Keller
mit einer Umgebungstemperatur von
ca. 19 °C ausgeführt, so erwärmen wir
mit der Berührung den Widerstand um
ca. 17°C. Bei einem idealen Wider-
stand sollte sich die Spannung am Volt-
meter nicht ändern. Falls doch, bitte
den Widerstand solange „aufheizen“,
bis sich wieder ein fester Wert im Dis-
play einstellt. Dann den Widerstand
loslassen, den „festen“ Wert notieren
und die Spannung weiter beobachten.
Der Widerstand kühlt ab und die Span-
nung am DVM ändert sich wieder in
Richtung des Startwerts.
Nun nehmen wir mit den Fingern den
Widerstand R2 in die Zange und verfol-
gen die Spannungsanzeige. Die Span-
nung wird sich nicht nur wesentlich
schneller wie bei R1 ändern, sondern
die Spannungsänderung fällt auch er-
heblich größer aus. Bitte erst loslassen,
wenn sich die Spannung nicht mehr än-
dert. Dann ebenfalls die Spannung auf-
schreiben.
Wie bei R1 läuft die Spannung wieder
auf den Ausgangswert zu. Wir überle-
gen nun, was sich da abgespielt hat.
Wir wissen den Wert von R1, die Batte-
riespannung U und unseren Startwert,
die Spannung U1. Daraus können wir
mit dem Ohm’schen Gesetz den Wert
von R2 errechnen:
U1 = R2/(R1 + R2) · U
U1 · (R1 + R2) = R2 · U
(U1 · R1) + (U1 · R2) = R2 · U
U1 · R1 = (R2 · U) – (U1 · R2)
U1 · R1 = R2 · (U – U1)
(U1 · R1)/(U – U1) = R2
Bild 1: Beispiel eines temperaturabhängigen Widerstands (NTC)
Bild 2:
Spannungsteiler
mit einem tempe-
raturabhängigen
Widerstand
Wie können wir dieses
Bauelement einsetzen?
Sehen wir uns dazu die Schaltung in
Bild 2 an. Auf einer Experimentierplati-
ne montieren wir die beiden Wider-
stände „hochwassermäßig“, d.h., dass
sich zwischen Bauelementekörper und
Platine ca. 10...15 mm Luft befinden
(Bild 3) .
Zur Inbetriebnahme schließen wir eine
9-V-Batterie an und messen die Span-
nung zwischen GND (= 0 V) und dem
Verbindungspunkt der beiden Wider-
stände. Dazu klemmen wir ein digitales
Voltmeter so an, dass wir beide Hände
frei haben. Es wird eine Spannung von
etwa 0,25 V angezeigt, die konstant ge-
messen wird.
Wandert die Anzeige, dann Batterie ab-
klemmen und raus aus dem Keller! Wir
haben ja gerade noch mit dem Lötkol-
ben die beiden Bauteile eingelötet und
dabei die Anschlussdrähte auf über
200° C erhitzt. Da muss der Aufbau
über Nacht abkühlen! Am nächsten
Morgen stecken wir wieder die Batterie
an. Die Anzeige muss jetzt ruhig stehen.
Wir nehmen den Widerstand R1 zwi-
schen unsere Finger und beobachten
Bild 3:
Aufbau für ersten
Versuch
Bei meinen Versuchsbedingungen misst
das Voltmeter 0,276 V. Für uns ergibt
sich also:
R2 = (0,276 V · 9,1 k # )/
(9 V – 0,276 V) = 288 #
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Sensoren –
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Bild 4:
Stromquelle mit
einem Operations-
verstärker
Lösung. Wir vertauschen R1 und R2!
Jetzt wandert die Temperaturanzeige
bei Erwärmung nach oben und umge-
kehrt. Aber es wird zuviel angezeigt,
nämlich 8,8 V. Das entspricht 880 °C
im Keller! Zur Lösung müssen wir wie-
der etwas die Mathematik bemühen.
Einer Widerstandsänderung von 6,6 #
(bei Temperaturänderung 1°C) steht
eine Spannungsvariation von 0,01V
gegenüber. Daraus errechnet sich der
erforderliche Strom zu
I = U/R = 0,01 V/6,6 # = 0,00152 A
= 1,52 mA.
Wir benötigen also eine Energiequelle,
die einen konstanten Strom liefert.
Dafür stehen verschiedene Lösungs-
möglichkeiten zur Verfügung. Wir ver-
wenden hier einen Operationsverstär-
ker, dessen Außenbeschaltung so ausge-
legt ist, dass eine Stromquelle entsteht.
Bild 4 stellt diese Variante vor, Bild 5
die Realisierung auf einer BB43-Platine
und Bild 6 zeigt meinen Musteraufbau.
Am Ausgang der Stromquelle schließen
wir unseren NTC an. Der zweite Pin
des NTC wird mit den Widerständen
R1 und R5 verbunden. Im Bild 4 sehen
wir rechts noch eine Serienschaltung
eines Trimmpotenziometers R8 und
zweier Widerstände R6 und R7. Am
Mittelabgriff des Trimmpotenziometers
klemmen wir den Pluspol unseres Digi-
talvoltmeters an, der Minuspol kontak-
tiert den Ausgang der Stromquelle.
Der Trimmwiderstand R8 dient zum
Abgleich. Wir stellen R8 so ein, dass
unser Voltmeter die aktuelle Tempera-
tur anzeigt. Als Vergleichswert kann
ein vorhandenes, herkömmliches Ther-
mometer oder aber auch eine elektroni-
sche Variante dienen.
Die Widerstände R3 und R4 teilen die
Betriebsspannung auf 2,8 V. Diese Span-
nung liegt am nichtinvertierenden Ein-
gang des OP. Am Ausgang des OP liegt
unser NTC in Serie mit R1. Vom Verbin-
dungspunkt dieser beiden Widerstände
führt R5 die dort vorliegende Spannung
auf den invertierenden Eingang des OP.
Ein OP will seine Ausgangsspannung
immer so einstellen, dass kein Signal-
unterschied zwischen den beiden Ein-
gängen besteht. Daher wird sich die
Spannung am invertierenden Eingang
auf 2,8V einpegeln. Diese kommt
durch den Strom durch R1 zustande.
Da die Spannung am nichtinvertieren-
den Eingang des OP konstant ist, sorgt
der OP auch für eine konstante Span-
nung am anderen Eingang. Folglich ist
auch der Strom durch den Festwider-
Bild 6:
Foto des
Musteraufbaus
Bild 5:
Bestückungs-
plan für die
Schaltung
nach Bild 4
Bild 7:
Widerstand des NTC
über der Temperatur
Der Widerstand R2 weist also bei Kel-
lertemperatur einen Widerstand von
288 # auf.
Jetzt setzen wir in die letzte Formel
statt U1 = 0,276 V den Spannungswert
ein, der sich durch Erwärmung mit un-
seren Fingern ergeben hat. Nehmen
wir mal an, dass unsere normale Kör-
pertemperatur bei 37 °C liegt, und sich,
bedingt durch Verluste, der Widerstand
R2 auf 33 °C aufheizt. Dann errechnet
sich der Widerstand R2 bei 33 °C zu
R2 = (0,190 V · 9,1 k # )/
(9 V – 0,190 V) = 196 #
Der Widerstand sinkt also bei Erwär-
mung. So ein Bauelement nennt sich
Heißleiter, weil je wärmer der Wider-
stand wird, desto mehr Strom fließt.
Anders ausgedrückt, während die Tem-
peratur steigt, fällt der Widerstand. Das
wird auch als „negativer Temperatur-
koeffizient“ beschrieben. Im Engli-
schen heißt das „Negative Temperature
Coefficient“, kurz NTC.
Die Abkürzung NTC hat sich als Stan-
dardbezeichnung für einen Heißleiter
eingebürgert. Blättert man in Bauele-
mentekatalogen, so finden sich NTCs
mit unterschiedlichen Widerstandswer-
ten. Diese Werte geben den Nenn-
widerstand bei Nenntemperatur, in der
Regel 25 °C, an. Aus unserem Versuch
können wir jetzt auch noch die Wider-
standsänderung je 1 Grad Temperatur-
änderung berechnen. Dabei setzen wir
voraus, dass sich der Widerstand linear,
d.h., je 1 °C um den gleichen Wert in
Ohm, ändert. Für 14 °C Temperatur-
änderung erhalten wir 92 # Wider-
standsänderung, also
92 #"14 °C = 6.6 # /°C
Erster praktischer Versuch
Jetzt haben wir ein Bauelement, dessen
Widerstand von der Temperatur ab-
hängt! Und damit bauen wir doch
gleich ein Thermometer. Dazu ein paar
Überlegungen vorneweg. Unser Digital-
voltmeter soll die Temperatur anzeigen,
d.h., also das eine Spannung von 0,2 V
gleich 20 °C entsprechen soll. Bei 35 °C
soll dann 0,35 V im Display erscheinen.
Von unserem Versuch wissen wir aber,
dass die Spannung sinkt bei steigender
Temperatur. Dafür gibt es eine einfache
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Bild 8:
Einfacher Eiswarner
mit NTC
Bild 9:
Bestückungs-
plan für den
einfachen
Eiswarner
mit NTC
stand R1 und damit der Spannungsab-
fall konstant. Das gilt aber nicht für die
Ausgangsspannung des OP! Der Kons-
tantstrom fließt nämlich auch durch
unseren NTC, dessen Widerstand wie-
derum von der Temperatur abhängt.
Das DVM misst nun die Spannungsdif-
ferenz zwischen dem Mittelabgriff des
Trimmers R8 und der temperaturab-
hängigen Spannung am OP-Ausgang.
So also funktioniert unser selbst gebau-
tes elektronisches Thermometer. Bei
genauerer Betrachtung zeigt sich
allerdings, dass die Linearität, d.h., die
Widerstandsänderung über der Tempe-
ratur nicht so gleichmäßig ausfällt, wie
wir mit unserer Betrachtung angenom-
men haben.
Verlängere die Anschlüsse des NTC mit
zwei ca. 50 cm langen Schaltdraht-
stücken. Jetzt kannst Du die Tempera-
tur im Kühlschrank oder in der Kühl-
truhe messen und mit den dort vorhan-
denen Temperaturanzeigen verglei-
chen. So ganz werden die Werte nicht
zusammenpassen.
Laut Datenblatt [1] des NTC ändert sich
der Widerstand mit ca. –4,2 % je Grad
Temperaturerhöhung. Daraus können
wir eine Grafik erstellen (Bild 7) . Diese
Kennlinie ist eindeutig nicht linear!
Lediglich in Bereichen von etwa 10 °C
könnte der NTC als Thermofühler mit
erträglichem Fehler herhalten.
Unser Versuchsthermometer weist
noch weitere Nachteile auf. Es benötigt
viel Strom und ein digitales Spannungs-
messgerät. Letzteres gibt es zwar für
ein paar Euro zu kaufen (z.B. [2]), aber
für ein bisschen mehr bekommt man
mitunter auch ein digitales Thermome-
ter (z.B. [3]). Während bei einem kom-
merziellen digitalen Thermometer die
Batteriekapazität für monatelangen Be-
trieb ausreicht, hält die Energie bei un-
serem Aufbau nur ein paar Stunden.
Wenn wir jetzt noch entsprechenden
Aufwand spendieren, um die Linearität
zu verbessern, wird unsere Schaltung
umfangreicher und erfordert noch
mehr Betriebsstrom.
Die moderne Mikroelektronik hält da
heutzutage wesentlich bessere Senso-
ren bereit, die speziell für Temperatur-
messung vorgesehen sind. Wozu also
ein simpler temperaturabhängiger Wi-
derstand? Es gibt vielfältige Aufgaben-
stellungen, wo die Kenntnis der genau-
en Temperatur nicht erforderlich ist,
z.B. bei Heiz- bzw. Kühlanlagen. So
muss beispielsweise ab einer definier-
ten Temperatur die Heizung aktiviert
oder ein Ventilator eingeschaltet wer-
den. So arbeiten Lüfter in PCs oder Sen-
deendstufen heute in der Regel tempe-
raturgesteuert. Dafür eignen sich NTCs
sehr gut, denn sie sind preiswert und
unkompliziert anzuwenden.
Die Kennlinie in Bild 5 weist gerade bei
tiefen Temperaturen eine große Steilheit
auf, was sich in einer kräftigen Wider-
standsänderung je Grad Temperaturän-
derung ausdrückt. Betrachtet man die
Verhältnisse bei 0 °C, so drängt sich die
Konstruktion eines Eiswarners geradezu
auf. Zugegeben, der Winter ist vorbei
und die warme Jahreszeit liegt vor uns,
aber der nächste Winter kommt be-
stimmt! Bild 8 stellt eine einfache
Schaltung dafür vor. Im Eiswarner wird
der zweite, bisher ungenutzte Operati-
onsverstärker als Komparator verschal-
tet. Dafür sind nur wenige zusätzliche
Verbindungen erforderlich (Bild 9) .
Mit dem Trimmer R8 definieren wir
jetzt die Schaltschwelle, ab der die
Leuchtdiode aufleuchtet bzw. wieder
verlischt. R7 wird durch eine Draht-
brücke ersetzt, die Betriebsspannung
muss auf 12 V angehoben werden,
sonst funktioniert die Schaltung nicht
als Eiswarner. Ohne diese Modifikation
eignet sich die Schaltung aber als Hitze-
frei-Sensor für die Schule! Und das
passt wieder in die Jahreszeit. Das zum
Hitzefrei-Sensor modifizierte Thermo-
meter zeigt das Foto in Bild 10 . Als
Temperaturfühler setzen wir einen
NTC ein. Bei diesem Bauelement sinkt
der Widerstand mit steigender Tempe-
ratur. Gibt es jetzt auch das Gegenteil,
also ein Bauteil, bei dem eine Erhöhung
der Temperatur auch einen Anstieg des
Widerstands bewirkt? Ja, natürlich!
Konsequenterweise verfügen diese Wi-
derstände über einen positiven Tempe-
raturkoeffizienten und heißen daher
PTC, wie „Positiv Temperature Coeffi-
cient“. Damit befassen wir uns dann
u.a. in der nächsten Funky-Ausgabe.
Für Experimente mit Sensoren wird ein
Materialsatz Funky-Sensor ab Juli 2009
zur Verfügung stehen. Wer für seine
Jugendarbeit auf die Versuche der
Funky-Reihe zurückgreifen möchte,
kann auch weiterhin entsprechendes
Material (Funky-Bastlerbeutel, Funky-
Signalgenerator, 2-Ton-Signalgenerator,
Funky-Summierer, Funky-Doppelfilter,
Funky-PLL) bei Helmut Berka,
DL2MAJ, Dornbuschweg 11, 86836
Obermeitingen (dl2maj@darc.de) für
jeweils 10 € pro Bauteilesatz (inkl. Ver-
sand) erhalten.
Bild 10:
Aufbau des
Hitzefrei-Sensors
Literatur und Bezugsquellen
[1] Online-Katalog auf www.digikey.com, Seite 2519
[2] Reichelt Elektronik, www.reichelt.de – z.B. LDP-135 LCD
[3] Reichelt Elektronik, www.reichelt.de – z.B. WS 1011
CQ DL 5-2009
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762950477.005.png 762950477.006.png 762950477.007.png
Zgłoś jeśli naruszono regulamin