Eisenbahn Journal 1997-05.pdf

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Editorial
Bereits seit Anfang des Jahres reißen die Hiobsbotschaften
über die Deutsche Bahn AG nicht mehr ab: Streckensperrun-
gen, Auflassung von Gütertarifpunkten, Einstellung des Bahn-
postverkehrs, Einschnitte im InterRegio-Verkehretc. Und nun
noch dies: Von DB AG-Sprechern offiziell zwar nicht bestätigt,
sind nach Planungen des GeschäftsbereichsNetz künftig rund
30% des derzeit knapp 39 800 km langen Streckennetzes von
der Stillegung bedroht. Spätestens seit Bundestagsmitglieder
von Bündnis 90/Die Grünen die Strategiepläne zur angebli-
chen Gesundschrumpfung des DB AG-Netzes aber den Me-
dien präsentierten, schrillen die Alarmglocken: Rollt der Nah-
verkehr schon bald aufs Abstellgleis?
Zu Beginn der Bahn-Reform am 1.1.1994haben wir geahnt: Es
wird dauern, bis der DB AG-Motor rund läuft. Nach einiger
Zeit haben wir uns aufs Hoffen verlegt: Es wird schon noch
werden, bis die Restrukturierung der (gutenalten?)Behörden-
bahn richtig ins Rollen kommt. Heute, nach fast dreieinhalb
desillusionierenden Jahren, wissen wir: Die Fusion von Bun-
des- und Reichsbahnzur DB AG hat uns einen privaten Dienst-
leistungskonzern beschert, der sich bestenfalls anschickt, den
"Behördenmief", den man der Bundesbahn gerne nachsagte,
in weiten Bereichen durch neue Dynamik, aber alte Ideen zu
ersetzen. So mag es zwar für ein Unternehmen gewiß richtig
sein, Wirtschaftlichkeit über alles andere zu stellen; wenn nun
aber in einem unvergleichlichen Ausmaß das Streckennetz in
Frage gestellt wird - jene "erhaltenswerte Substanz der
DB AG", wie Bahn-Chef Dürr noch bis vor kurzem bei zahlrei-
chen Gelegenheiten hervorhob - , kommt dies einer billigen
Offenbarung der neuen Frankfurter Netz-Manager nahe. Ver-
meintliches Motto: Was anderes fällt uns nicht ein. Daß sich
unter den rund 11 600 km, die zur Disposition stehen, keines-
wegs nur schwach frequentierte Nebenbahnen befinden, son-
dern auch Hauptstrecken, die Kernstück von Taktfahrplänen
sind, macht die Sache nur noch brisanter (siehe auch Seite 44).
Was ist nun zu erwarten?
1. Für jede Strecke, die die DB AG abstößt, bleibt die Möglich-
keit einer Ubernahme durch andere Bahnunternehmen oder
Länder und Kommunen, die ihrerseits wieder Zugverkehr
bestellen und für die Unterhaltung der Infrastruktur sorgen.
Beispiele, wie gut dies funktionieren kann, sind die Schön-
buchbahn (vgl. EJ 4/97), die Wieslaufbahn oder die Strecke
Stockach - Radolfzell (vgl. EJ 11/96).
2. Sicher ist allerdings auch, daß sich für Strecken in jener
Dimension, wie sie der DB AG-Geschäftsbereich Netz loswer-
den will, nicht von heute auf morgen solche oder ähnliche
Lösungen bzw. neue Betreiber finden lassen.
3. Es ist daher damit zu rechnen, daß in den nächsten Jahren
eine neue - noch nie dagewesene - Stillegungswelle über
Deutschlands Schienenschwappt. Wenn nicht alles täuscht, ist
Eisfeld - Probstzella (siehe Seite 38 bis 41) also nur der Anfang
eines neuen Streckensterbens gewesen ... Ihre EJ-Redaktion
(Übrigens finden Sie in dieser Ausgabe aus technischen Gründen
diesmal nicht die gewohnten Typenblätter. Dafür informieren wir
Sie ausführlich über unseren Anfang Juni erscheinenden Archiv-
band "Sachsen-Report 5", eine Sammlung hochinteressanter Eisen-
bahnpläne.)
Inhalt
Vom Rhein an die Weser:
Die Cöln-Mindener Eisenbahn
Cisalpino
Pendolini am Lötschberg, Simplon und Gotthard
KaIi-Plandampf
Drei Tage im Dienst der DB Cargo auf der Werrabahn
Spessart-Schub
Die Streilrampe Laufach - Heigenbrücken
Die Baureihe 155
Die ab 1974 gebaute Co'Co'-Ellok BR 250 der DR
Aus für den Essener Schienenfahrzeugbau
Ende einer Ära an der Ruhr nach fast 80 Jahren
Eisfeld - Probstzella:
»Technisches K.o.«
Die Schweizer Bahnen jubilieren
SBB gestalten ihr Jubiläum als Leistungsschau
6
18
22
24
28
36
38
42
I Das Gützold-Modellder BR 155
35
Die Ruhrtalbahn im Modell
r
64
68
1
Faszination Feldbahn
71
72
Digitips: BR 91 mit Decoder
Quattro Stagioni 9 10: Bahnsteig-Bestückung
Leipziger Allerlei
Der Bahnhof Beiern-Langenleubain HO
74
Güterwagen selbstgebaut:
»Hängebauchschwein<<
auf vier Achsen
78
Patinieren für Anfänger Teil 2
80
Weathering von Darnpf- und Diesellokomotiven
Unsere N-Einsteigeranlagewird aufgerüstet (1 0) 84
Spitzkehrenbahnhof mit Paradestrecke in TT
Große Loks vor kurzen Zügen
Häuser der Großstadt Teil 2
86
90
Bahn-Notizen
Fachhändler-Adressen
Impressum
Schaufenster der Neuheiten
Modellbahn-Notizen
Auto-Neuheiten
Mini-Markt
Im Club tut sich was!
Übersicht über die Verlags-Neuheiten
Bücherecke
Sonderfahrten und Veranstaltungen
44
50
52
94
97
98
I00
110
112
114
115
Titelbild: Am Hp Lippelsdorf: Mit einem Personenzug nach
Sonneberg legt sich hier 95 1016 in die Kurve. Zur Zeit ruht
der gesamte Zugverkehr auf der Relation Probstzella - Son-
neberg - Eisfeld, und man kann nur hoffen, daß bald wieder
Züge den Rennsteig überqueren dürfen. Abb.: H. Scholz
5 - Eisenbahn-Journal !Y1997
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Vom Rhein an die Weser:
Die Cöln=MindenerEisenbahn
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tines der
(testen Bauwerke
Coln-Mindener Bahn
IJL das Viadukt bei
Bielefeld-Schildesche
Abb.: W. Klee
I
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J
Wenn eine Magistrale sich zum
Geburtstag Feiern und Schlagzeilen
verdient hat, dann diese: die Cöln-
Mindener Eisenbahn. CME - eine
Schreibweise, die vom früheren Cöln
statt Köln stammt und die wir in
unserem Beitrag beibehalten wollen.
1997 hat die CME - und mit ihr die
erste Schienenverbindungzwischen
dem Rhein-Ruhr-Gebietund Berlin -
eineinhalb Jahrhunderte Bahnverkehr
miterlebt und mitgeprägt. In zahlrei-
chen Städten zwischen Rhein und
Weser gibt es Jubiläumsveranstaltun-
gen. Und ebenfalls in diesem Jubilä-
umsjahr, mit Fahrplanwechselam
1. Juni, wird der CE-Taktverkehr
zwischen Köln und Berlin aufgenom-
men - zunächst nur zweistündlich,
weil die Hochgeschwindigkeitsstrecke
Hannover - Berlin erst ein Jahr später
fertig wird als ursprünglich geplant. Mit
ihr kommt 1998 dann auch der ICE-
Stundentakt.
-?
i
I kordegut, während heutedie Schnellst-
mmer wieder war die Stammstrecke
der Cöln-Mindener Eisenbahngesell-
schaft und dabei besonders ihr Ab-
schnitt Hamm - Bielefeldfrüher für Re-
I
I
fahrten ja auf den Neubaustreckenstattfin-
den. Nach wie vor imposant aber sind an-
dere Werte der CME: Von Köln über Düs-
seldorf nach Duisburg (64 km) liegen auf
bzw. neben der alten Stammtrasse durch-
gehend drei bzw. vier Gleise (für Fern- und
Regionalverkehr sowie die S-Bahn). Der
Güterverkehr hat zudem ein paar Kilome-
ter weiter westlich seine eigenen Wege.
Vier Gleise sind es auch auf dem 112-km-
Abschnitt zwischen Hamm und Minden.
Zweimal wechselt hier die Güterstrecke
die Seite neben der meist schnurgeraden
Personenzugtrasse.Mit etwas Glück kann
man zwischen Hamm und Bielefeld aus
einem der StadtExpreß-Züge das interes-
sante Schauspiel immer wieder wechseln-
der Überholungen von SE- und Güterzug
erleben: mal in Fahrtrichtung links, mal
rechts, dann wieder links.
Lediglich zwischen Hamm und Duisburg
ist die alte CME-Linie - sie führt hier über
Gelsenkirchen Hbf und Wanne-Eickel Hbf
- auch heute “nur” zweigleisig. Kein Pro-
blem, denn zwischen den beiden Eisen-
bahnknoten im Westen und Osten des
Reviers gibt es ja noch genügend weitere
leistungsfähige Hauptbahnen: die Güter-
Bild 3: Das Mindener InseCBahnhofsgebäude (hier die Kölner Seite um 1900) steht noch heute.
Bild 2 (oben): Die Kölner Dombrücke - Vorgängerin der Hohenzollernbrücke - machte ab 1859
die SchienenverbindungBerlin - Köln erst möglich. Abb.: Rheinisches BildarchivlSlg. Klee
zugstrecke über Datteln oder die über Es-
Es ist noch gar nicht lange her, da sah,
Sen Nord und Mülheim-Speldorfsowie die
jedenfalls zwischen Hamm und Minden,
S-Bahn und natürlich die Strecke Dort-
die CME-Stammstrecke eher etwas über-
mund - Essen - Duisburg, auf der heute
dimensioniert aus. Die Teilung Deutsch-
der IC-Verkehr rollt. Eisenbahnbetrieb in
lands hatte weiter im Osten, zwischen
so gebündelter Form -wo, bitteschön, gibt
Wolfsburg und Oebisfelde sowie zwischen
es das sonst?
Helmstedt und Marienborn, vom alten
7 - Eisenbahn-Journal U997
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Stamm viele Wurzeln abgetrennt. Der Ost-
West-Schienenverkehr war ohne rechtes
Ziel, in Hannover oder Braunschweig hieß
es für die Intercities: “Endstation!” Berlin
bekanntlich war noch vor zehn Jahren für
das IC-Netz kein realistischer Ort. (Zwar
hat die damalige Bundesregierung noch
mit der alten DDR-Führung den Bau einer
Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen
Hannover und Berlin ausgehandelt, aber
wer kann schon sagen, was beim alten
Status quo wirklich aus der Sache gewor-
den wäre?)
Ja und nein! Ganz klar, in den 1840er
Jahren, als die Strecke gebaut wurde, wa-
ren Oberhausen, Gelsenkirchenoder Wan-
ne nur Punkte auf der Landkarte, aber
keine Orte von Bedeutung. Die Bahn vom
Rhein zur Weser wurde nur deshalb hier
gebaut, weil die “platte” Landschaft den
Technikern keinerlei Probleme machte.
Den treibenden Kräften des Rhein-Weser-
Eisenbahnprojektes - an erster Stelle ist
hier natürlich David Hansemann zu nen-
nen, Preußens wohl bedeutendster Eisen-
bahnpionier - ging es zunächst nämlich
überhaupt nicht um die Erschließung der
Region, sondern um eine möglichst billige
und schnelle Verbindung Kölns mit der
Weser, letztlich also mit dem Seehafen
Bremen. Ähnlich wie mit dem “Eisernen
Rhein” (so wurde damals die Stammstrek-
ke der Rheinischen Eisenbahn-Gesell-
Schaft RhEG auch genannt) nach Aachen
und Belgien wollte man dem international
tätigen Kölner Handel einen “freien”, will
heißen von Hollands Launen unabhängi-
gen Zugang zum Meer verschaffen. Da
spielte es für Hansemann & Co. kaum eine
Rolle, daß zu gleicher Zeit die aufstreben-
den Gewerbegebiete an Wupper, Lenne,
Ruhr, Ennepe und Volme ebenfalls hände-
ringend einen Bahnanschlußforderten, um
günstiger an den neuen Energieträger Koh-
le zu kommen und um ihre Produkte billi-
ger versenden zu können. Natürlich lag die
Idee nahe, die Eisenbahn von Köln nach
Minden über Elberfeld, Barmen, Gevelc-
berg, Hagen, Witten und Dortmund zu bau-
en, man hätte zwei Fliegen mit einer Klap-
pe geschlagen. Aber die Kölner setzten die
weit billigere Route über Düsseldorf und
Duisburg nach Dortmund gegen die wegen
des bergigen Terrains technisch sehr
schwierige und teure über Elberfeld, Bar-
men und Hagen durch. Für diese Städte
blieb da nur der Weg, ein eigenes Unter-
nehmen zu gründen; das war der Ursprung
der Bergisch-MärkischenEisenbahngesell-
schaft (BME), der jüngsten der drei mäch-
tigsten westlichen Privatbahnen. Mit dem
großen Umweg über Duisburg verlor die
CME tatsächlich den Anschluß an die rasch
aufsteigenden Städte zwischen Elberfeld
und Witten. Aber just die Landschaft links
und rechts der Bahn zwischen Duisburg,
Gelsenkirchen und Dortmund entwickelte
sich später zum Kern des Steinkohlen-
bergbauc und der ihm nahen Industrien.
Voraussehen konnte das um 1840 nie-
mand.
4
Die CME-Stammstrecke -
eine Fehlplanung?
Aus den einleitenden Zeilen ergibt sich
schon folgendes: Bei etwas genauerer
Betrachtung teilt sich die CME-Stamm-
strecke (Basisdaten zu ihr und den ande-
ren Strecken der CME siehe Kasten) in
betrieblicher Hinsicht im wesentlichen in
die drei Abschnitte
Köln - Düsseldorf - Duisburg,
Duisburg-Oberhausen - Gelsenkirchen -
Wanne-Eickel - Dortmund,
Dortmund - Hamm - Bielefeld - Minden.
Über die derzeitige Bedeutung des Teil-
stücks Köln - Duisburg muß man nicht
viele Worte verlieren, ein Blick ins Kurs-
buch genügt: Werktäglich 45 IC/EC/ICE
pro Richtung stehen dem Publikum zur
Wahl, hinzu kommen 18 InterRegios und
noch eine Handvoll anderer Fernreisezü-
ge (vom EuroNight-Hotelzug über den In-
terCityNight bis zum “ordinären” D-Zug).
Außerdem fährt hier im Stundentakt die
StadtExpreß-Linie SE 1 Aachen - Biele-
feld und nebenan, auf eigenem Gleiskör-
per, die S-Bahn. Und wem dies als Schie-
nenverkehrsangebot immer noch nicht
reicht, der kann auch noch auf die links-
rheinischen Verbindungen zwischen Köln,
Düsseldorf und Duisburgausweichen.Zum
Güterverkehr nur so viel: Der rollt zwischen
Köln und Duisburg über separate Strek-
ken, die großenteils im Reiseverkehr nicht
mehr bedient werden (eventuell aber bald
wieder; siehe EJ 2/97, Seite 48/49).
Ganz anders stellt sich die Lage heute auf
dem Abschnitt Duisburg - Oberhausen -
Gelsenkirchen - Dortmund dar. EC/IC fah-
ren hier, jeweils zweistündlich, nur auf den
kurzen Abschnitten Duisburg - Oberhau-
sen (Linie Köln - Amsterdam) sowie Gel-
senkirchen - Wanne-Eickel (Linie Münster
- Süddeutschland). Hinzu kommen stünd-
liche IR zwischen Duisburg und Wanne-
Eickel (Südwestdeutschland - Münster -
Norddeutschland). Zwischen Wanne und
Dortmund gibt es, von ganz wenigen Ein-
zelgängern in Randlagen abgesehen, nur
Regional- und Güterverkehr. Anders aus-
gedrückt:DasGros des hochwertigenFern-
verkehrs rollt zwischen Duisburg und Dort-
mund nicht über die CME-Stammlinie,son-
dern über Essen, die größte Stadt des
Ruhrgebiets.War die CME-Stammliniehier
also eine Fehlplanung?
Bild 4: Ein Blick auf die Streckenkarte ist im
Fall der CME-Stammlinie sehr hilfreich: Sie
führt in den drei Abschnitten Köln - Duisburg,
Duisburg - Oberhausen - Dortmund und
Dortmund - Minden vom Rhein an die Weser.
Abb.: DB AGlNGT 121
Bilder 5 bis 7: Als Kreuzungsbahnhof der
CME-Stammroute mit der Strecke Münster -
Warburg der Westfälischen Staatseisenbahn
erhielt Hamm einen besonders prächtigen
Bahnhof (Postkarte oben, um 1900). 1920
wurde der Bau durch den heutigen ersetzt. -
Das “Cölner Tor” der Bahnhofsfestung Minden
mit Drehscheibe um 1847 zeigt eine Lithogra-
phie (rechts Mitte). - Mit der Bergisch-Märki-
schen Eisenbahn teilte sich die CME in Dort-
mund einen Bahnhof (rechts unten), der sich
unmittelbar westlich des heutigen Hbf befand.
Abb.: Repro LWL, Mindener Museum,
Stadtarchiv Dortmund/Sammlung Klee
I
I
1847: eine neue Dimension
Als 1847 die Gesamtverbindung von Köln
bis Minden der Vollendung näherkam, hat-
te das Projekt der Rhein-Weser-Eisenbahn
längst eine ganz neue Dimension gewon-
nen. Von Berlin aus konnte man inzwi-
schen über Magdeburg (preußische Pro-
vinz Sachsen) und dann durch das Her-
zogtum Braunschweig bis zur Hauptstadt
des Königreichs Hannover per Eisenbahn
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Eisenbahn-Journal U1997
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Zgłoś jeśli naruszono regulamin