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CLAUSEWITZ: VOM KRIEGE
Vorrede [zur ersten Auflage]
Es wird mit Recht befremden, daß eine weibliche Hand es wagt, ein Werk von solchem Inhalt wie
das vorliegende mit einer Vorrede zu begleiten. Für meine Freunde bedarf es hierüber keiner
Erklärung, aber auch in den Augen derer, die mich nicht kennen, hoffe ich durch die einfache
Erzählung dessen, was mich dazu veranlaßte, jeden Schein einer Anmaßung von mir zu
entfernen.
Das Werk, dem diese Zeilen vorangehen sollen, hat meinen unaussprechlich geliebten, mir und
dem Vaterlande leider zu früh entrissenen Mann während der letzten zwölf Jahre seines Lebens
fast ausschließend beschäftigt. Es zu vollenden, war sein sehnlichster Wunsch, aber nicht seine
Absicht, es während seines Lebens der Welt mitzuteilen; und wenn ich mich bemühte, ihn von
diesem Vorsatz abzubringen, gab er mir oft, halb im Scherz, halb aber auch wohl im Vorgefühl
eines frühen Todes, zur Antwort: »Du sollst es herausgeben.« Diese Worte (die mir in jenen
glücklichen Tagen oft Tränen entlockten, sowenig ich damals geneigt war, ihnen eine ernsthafte
Bedeutung unterzulegen) sind es nun, die es mir nach der Ansicht meiner Freunde zur Pflicht
machen, den hinterlassenen Werken meines geliebten Mannes einige Zeilen vorauszuschicken;
und wenn man auch hierüber verschiedener Meinung sein kann, so wird man doch das Gefühl
gewiß nicht mißdeuten, das mich veranlaßt hat, die Schüchternheit zu überwinden, welche einer
Frau jedes auch noch so untergeordnete Auftreten der Art so sehr erschwert.
Es versteht sich von selbst, daß ich dabei auch nicht die entfernteste Absicht haben kann, mich
als die eigentliche Herausgeberin eines Werkes zu betrachten, das weit über meinem Horizont
liegt. Nur als eine teilnehmende Begleiterin will ich demselben bei seinem Eintritt in die Welt zur
Seite stehen. Diese Stelle darf ich wohl in Anspruch nehmen, da mir auch bei dessen Entstehung
und Ausbildung eine ähnliche vergönnt wurde. Wer unsere glückselige Ehe gekannt hat und
weiß, wie wir alles miteinander teilten, nicht allein Freude und Leid, sondern auch jede
Beschäftigung, jedes Interesse des täglichen Lebens: der wird begreifen, daß eine Arbeit dieser
Art meinen geliebten Mann nicht beschäftigen konnte, ohne auch mir genau bekannt zu sein. Es
kann also auch niemand so wie ich, Zeugnis geben von dem Eifer, von der Liebe, mit der er sich
ihr widmete, von den Hoffnungen, die er damit verband, sowie von der Art und dem Zeitpunkt
ihres Entstehens. Sein so reich begabter Geist hatte von früher Jugend an das Bedürfnis des
Lichts und der Wahrheit empfunden, und so vielseitig er auch gebildet war, hatte sich sein
Nachdenken doch hauptsächlich auf die Kriegswissenschaften gerichtet, welchen sein Beruf ihn
widmete, und welche von so großer Wichtigkeit für das Wohl der Staaten sind. Scharnhorst hatte
ihn zuerst auf die richtige Bahn geführt, und seine im Jahre 1810 erfolgte Anstellung als Lehrer
bei der Allgemeinen Kriegsschule sowie die Ehre, die ihm in derselben Zeit zuteil wurde, Seiner
Königlichen Hoheit dem Kronprinzen den ersten militärischen Unterricht zu erteilen, waren ihm
neue Veranlassungen, seinen Forschungen und Bestrebungen diese Richtung zu geben sowie
dasjenige niederzuschreiben, worüber er mit sich selbst aufs reine gekommen war. Ein Aufsatz,
mit welchem er im Jahre 1812 den Unterricht Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen schloß,
enthält schon die Keime seiner folgenden Werke. Aber erst im Jahre 1816 in Koblenz fing er
wieder an, sich mit wissenschaftlichen Arbeiten zu beschäftigen und die Früchte zu sammeln,
welche die reichen Erfahrungen von vier so gewichtigen Kriegsjahren in ihm zur Reife gebracht
hatten. Er schrieb seine Ansichten zuerst in kurzen, untereinander nur lose verbundenen
Aufsätzen nieder. Der nachfolgende, der sich ohne Datum unter seinen Papieren fand, scheint
auch aus jener früheren Zeit herzustammen:
1
»Durch die hier niedergeschriebenen Sätze sind nach meiner Meinung die Hauptsachen, welche
die sogenannte Strategie ausmachen, berührt. Ich sah sie noch als bloße Materialien an und war
ziemlich so weit gekommen, sie zu einem Ganzen zu verschmelzen.
Es sind nämlich diese Materialien ohne vorher gemachten Plan entstanden. Meine Absicht war
anfangs, ohne Rücksicht auf System und strengen Zusammenhang über die wichtigsten Punkte
dieses Gegenstandes dasjenige in ganz kurzen, präzisen, gedrungenen Sätzen
niederzuschreiben, was ich darüber mit mir selbst ausgemacht hatte. Die Art, wie Montesquieu
seinen Gegenstand behandelt hat, schwebte mir dabei dunkel vor. Ich dachte mir, solche kurze,
sentenzreiche Kapitel, die ich anfangs nur Körner nennen wollte, würden den geistreichen
Menschen anziehen ebensosehr durch das, was weiter aus ihnen entwickelt werden konnte, als
durch das, was sie selbst feststellten; es schwebte mir also ein geistreicher, schon mit der Sache
bekannter Leser vor. Allein meine Natur, die mich immer zum Entwickeln und Systematisieren
treibt, hat sich am Ende auch hier wieder hervorgearbeitet. Eine Zeitlang vermochte ich es über
mich, aus den Abhandlungen, welche ich für einzelne Gegenstände schrieb, weil sie mir dadurch
selbst erst recht klar und sicher werden sollten, nur die wichtigsten Resultate herauszuheben und
also den Geist in ein kleineres Volumen zu konzentrieren; später aber ist meine Eigentümlichkeit
völlig mit mir durchgegangen, ich habe entwickelt, was ich gekonnt habe, und mir dann natürlich
dabei einen mit dem Gegenstand noch nicht bekannten Leser gedacht.
Je mehr ich fortgearbeitet, je mehr ich mich dem Geiste der Untersuchung hingegeben habe, um
so mehr bin ich auch auf das System zurückgeführt, und so Bind denn nach und nach Kapitel
eingeschaltet worden.
Meine letzte Absicht war nun, alles noch einmal durchzugehen, in den früheren Aufsätzen
manches mehr zu motivieren, in den späteren vielleicht manche Analyse in ein Resultat
zusammenzuziehen und so ein erträgliches Ganze daraus zu machen, welches einen kleinen
Oktavband bildete. Aber auch dabei wollte ich durchaus alles Gewöhnliche, was sich von selbst
versteht, hundertmal gesagt, allgemein angenommen ist, vermeiden; denn mein Ehrgeiz war, ein
Buch zu schreiben, was nicht nach zwei oder drei Jahren vergessen wäre, und was derjenige,
welcher sich für den Gegenstand interessiert, allenfalls mehr als einmal in die Hand nehmen
könnte.«
In Koblenz, wo er viele Dienstgeschäfte hatte, konnte er seinen Privatarbeiten nur abgebrochene
Stunden widmen; erst durch seine im Jahre 1818 erfolgte Ernennung zum Direktor der
Allgemeinen Kriegsschule in Berlin gewann er die Muße, seinem Werk eine weitere Ausdehnung
zu geben und es auch durch die Geschichte der neueren Kriege zu bereichern. Diese Muße
söhnte ihn auch mit seiner neuen Bestimmung aus, die ihm in anderer Hinsicht wohl nicht ganz
genügen konnte, da nach der einmal bestehenden Einrichtung der Kriegsschule der
wissenschaftliche Teil der Anstalt nicht unter dem Direktor steht, sondern von einer besonderen
Studienkommission geleitet wird. So frei er auch von jeder kleinlichen Eitelkeit, von jedem
unruhigen egoistischen Ehrgeiz war, so fühlte er doch das Bedürfnis, wahrhaft nützlich zu sein
und die Fähigkeiten, mit welchen Gott ihn begabt hatte, nicht ungebraucht zu lassen. Im tätigen
Leben stand er nicht an einer Stelle, wo dies Bedürfnis Befriedigung finden konnte, und er
machte sich wenig Hoffnung, noch einst zu einer solchen zu gelangen; sein ganzes Streben
richtete sich also auf das Reich der Wissenschaft, und der Nutzen, den er einst durch sein Werk
zu stiften hoffte, wurde der Zweck seines Lebens. Wenn trotzdem der Entschluß, dies Werk erst
nach seinem Tode erscheinen zu lassen, immer fester in ihm wurde, so ist dies wohl der beste
Beweis, daß kein eitles Verlangen nach Lob und Anerkenntnis, keine Spur irgendeiner
egoistischen Rücksicht diesem edlen Drange nach einer großen und dauernden Wirksamkeit
beigemischt war.
2
So arbeitete er eifrig fort, bis er im Frühjahr 1830 zur Artillerie versetzt und seine Tätigkeit nun auf
eine ganz andere Weise, und zwar in so hohem Grade in Anspruch genommen wurde, daß er,
wenigstens fürs erste, allen schriftstellerischen Arbeiten entsagen mußte. Er ordnete seine
Papiere, versiegelte die einzelnen Pakete, versah sie mit Aufschriften und nahm einen
wehmütigen Abschied von dieser ihm so liebgewordenen Beschäftigung. Er wurde im August
desselben Jahres nach Breslau versetzt, wo er die zweite Artillerieinspektion erhielt, aber schon
im Dezember wieder nach Berlin zurückberufen und als Chef des Generalstabes bei dem
Feldmarschall Grafen von Gneisenau (für die Dauer des demselben verliehenen
Oberkommandos) angestellt. Im März 1831 begleitete er seinen verehrten Feldherrn nach Posen.
Als er nach dem schmerzlichsten Verlust im November von dort nach Breslau zurückkehrte,
erheiterte ihn die Hoffnung, sein Werk wieder vornehmen und vielleicht im Laufe des Winters
vollenden zu können. Gott hatte es anders gewollt; er war am 7. November nach Breslau
zurückgekehrt, am 16. war er nicht mehr, und die von seiner Hand versiegelten Pakete wurden
erst nach seinem Tode eröffnet! -
Dieser Nachlaß ist es nun, der in den folgenden Bänden mitgeteilt wird, und zwar ganz so, wie er
sich vorfand, ohne daß ein Wort hinzugefügt oder gestrichen worden wäre. Dennoch war bei der
Herausgabe desselben vieles zu tun, zu ordnen und zu beraten, und ich bin mehreren treuen
Freunden für den mir hierbei geleisteten Beistand den herzlichsten Dank schuldig. Namentlich
dem Herrn Major O'Etzel, der die Korrektur des Druckes sowie die Anfertigung der Karten,
welche den historischen Teil des Werkes begleiten sollen, gütigst übernommen hat. Ich darf auch
wohl meinen geliebten Bruder hier nennen, der meine Stütze war in der Stunde des Unglücks,
und der sich auch um diesen Nachlaß in so vieler Hinsicht verdient gemacht hat. Er hat unter
anderem bei dem sorgfältigen Durchlesen und Ordnen desselben die angefangene Umarbeitung
gefunden, welche mein geliebter Mann in der im Jahre 1827 geschriebenen und weiter unten
folgenden Nachrichtals eine beabsichtigte Arbeit erwähnt, und hat sie an den Stellen des ersten
Buches, für welche sie bestimmt war (denn weiter reichte sie nicht), eingeschaltet.
Noch vielen anderen Freunden möchte ich danken für den mir erteilten Rat, für die mir erwiesene
Teilnahme und Freundschaft, aber wenn ich sie auch nicht alle nennen kann, werden sie doch
gewiß an meiner innigsten Dankbarkeit nicht zweifeln. Diese ist um so größer, je fester ich
überzeugt bin, daß alles, was sie für mich taten, nicht allein um meinetwillen geschah, sondern
dem Freunde galt, den ihnen Gott so früh entrissen hat.
War ich einundzwanzig Jahre Lang hochbeglückt an der Hand eines solchenMannes, so bin ich
es auch noch ungeachtet meines unersetzlichen Verlustes durch den Schatz meiner
Erinnerungen und meiner Hoffnungen, durch das reiche Vermächtnis von Teilnahme und
Freundschaft, das ich dem geliebten Verstorbenen verdanke, und durch das erhebende Gefühl,
seinen seltenen Wert so allgemein und so ehrenvoll anerkannt zu sehen.
Das Vertrauen, mit welchem ein edles Fürstenpaar mich zu sich rief, ist eine neue Wohltat, für die
ich Gott zu danken habe, da es mir einen ehrenvollen Beruf eröffnet, dem ich mich freudig
widme. Möchte dieser Beruf gesegnet sein, und möchte der teure kleine Prinz, der in diesem
Augenblick meiner Obhut anvertraut ist, einst dieses Buch lesen und durch dasselbe zu Taten
begeistert werden, ähnlich denen seiner glorreichen Ahnen!
Geschrieben im Marmor-Palais bei Potsdam, den 30. Juni 1832.
MarievonClausewitz,
geborene Gräfin Brühl,
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Oberhofmeisterin Ihrer Königlichen Hoheit der
Prinzessin
Wilhelm.
Nachricht*
Ich betrachte die ersten sechs Bücher, welche sich schon ins reine geschrieben finden, nur als
eine noch ziemlich unförmliche Masse, die durchaus noch einmal umgearbeitet werden soll. Bei
dieser Umarbeitung wird die doppelte Art des Krieges überall schärfer im Auge behalten werden,
und dadurch werden alle Ideen einen schärferen Sinn, eine bestimmte Richtung, eine nähere
Anwendung bekommen. Diese doppelte Art des Krieges ist nämlich diejenige, wo der Zweck das
Niederwerfen des Gegners ist, sei es, daß man ihn politisch vernichten oder bloß wehrlos
machen und also zu jedem beliebigen Frieden zwingen will, und diejenige, wo man bloßanden
Grenzen seines Reiches einige Eroberungen machen will,sei es, um sie zu behalten, oder um
sie als nützliches Tauschmittel beim Frieden geltend zu machen. Die Übergänge von einer Art in
die
andere
müssen
freilich
bestehenbleiben,
aber
die
ganz
verschiedene
Natur
beider
Bestrebungen muß überall durchgreifen und das Unverträgliche voneinander sondern.
Außer diesem faktisch bestehenden Unterschied in den Kriegen muß noch der ebenfalls
praktisch notwendige Gesichtspunkt ausdrücklich und genau festgestellt werden, daß der Krieg
nichts ist als die fortgesetzte Staatspolitik mit anderen Mitteln. Dieser Gesichtspunkt, überall
festgehalten, wird vielmehr Einheit in die Betrachtung bringen, und es wird sich alles leichter
auseinanderwirren. Obgleich dieser Gesichtspunkt hauptsächlich erst im achten Buche seine
Wirksamkeit haben wird, so muß er doch schon im ersten Buche vollständig entwickelt werden
und auch bei der Umarbeitung der sechs ersten Bücher mitwirken. Mit einer solchen Umarbeitung
werden die sechs ersten Bücher manche Schlacke loswerden, manche Spalte und Kluft wird sich
zusammenziehen, und
manche
Allgemeinheit
wird
in
bestimmtere
Gedanken und Formen
übergehen können.
Das siebente Buch, Vom Angriff, wozu die Skizzen der einzelnen Kapitel bereits entworfen sind,
ist als ein Reflex des sechsten Buches zu betrachten und soll sogleich nach den eben
angegebenen bestimmteren Gesichtspunkten bearbeitet werden, so daß es keiner neuen
Umarbeitung bedürfen wird, sondern vielmehr bei der Umarbeitung der sechs ersten Bücher als
Norm dienen kann.
Zum achten Buch, Vom Kriegsplan, d. h. überhaupt von der Einrichtung eines ganzen Krieges,
finden sich mehrere Kapitel entworfen, die aber nicht einmal als wahre Materialien betrachtet
werden können, sondern ein bloßes rohes Durcharbeiten durch die Masse sind, um in der Arbeit
selbst erst recht gewahr zu werden, worauf es ankommt. Diesen Zweck haben sie erfüllt, und ich
denke nach Beendigung des siebenten Buches gleich zur Ausarbeitung des achten zu schreiten,
wo dann hauptsächlich die beiden oben angegebenen Gesichtspunkte geltend gemacht werden
und alles vereinfachen, aber auch zugleich vergeistigen sollen. Ich hoffe in diesem Buche
manchen Faltenkniff in den Köpfen der Strategen und Staatsmänner auszubügeln, und
wenigstens überall zu zeigen, worum es sich handelt, und was bei einem Kriege eigentlich in
Betrachtung zu ziehen ist.
Bin ich nun durch die Ausarbeitung dieses achten Buches mit meinen Ideen ins klare gekommen,
und haben die großen Lineamente des Krieges sich gehörig festgestellt, so wird es mir dann um
so leichter werden, diesen Geist in die ersten sechs Bücher überzutragen und jene Lineamente
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auch hier überall durchschimmern zu lassen. Also erst alsdann werde ich die Umarbeitung der
sechs ersten Bücher vornehmen.
Sollte mich ein früher Tod in dieser Arbeit unterbrechen, so wird das, was sich vorfindet, freilich
nur eine unförmliche Gedankenmasse genannt werden können, die, unaufhörlichen
Mißverständnissen ausgesetzt, zu einer Menge unreifer Kritiken Veranlassung geben wird; denn
in diesen Dingen glaubt jeder das, was ihm einfällt, indem er die Feder ergreift, eben gut genug,
um gesagt und gedruckt zu werden, und hält es für ebenso unbezweifelhaft, als daß zwei mal
zwei vier ist. Wollte er sich die Mühe geben wie ich, jahrelang über den Gegenstand
nachzudenken und ihn immer mit der Kriegsgeschichte zu vergleichen, so würde er freilich mit
der Kritik behutsamer sein.
Aber trotz dieser unvollendeten Gestalt glaube ich doch, daß ein vorurteilsfreier, nach Wahrheit
und Überzeugung dürstender Leser in den sechs ersten Büchern die Früchte eines mehrjährigen
Nachdenkens und eifrigen Studiums des Krieges nicht verkennen und vielleicht darin die
Hauptgedanken finden werde, von denen eine Revolution in dieser Theorie ausgehen könnte.
Berlin, den 10. Juli 1827
Außer dieser Nachricht fand sich noch in dem Nachlasse folgender unvollendete Aufsatz, der,
wie es scheint, von sehr neuem Datum ist.
Das Manuskript über die Führung des großen Krieges, welches man nach meinem Tode finden
wird, kann, so wie es da ist, nur als eine Sammlung von Werkstücken betrachtet werden, aus
denen eine Theorie des großen Krieges aufgebaut werden sollte. Das meiste hat mich noch nicht
befriedigt, und das sechste Buch ist als ein bloßer Versuch zu betrachten; ich würde es ganz
umgearbeitet und den Ausweg anders gesucht haben.
Allein die Hauptlineamente, welche man in diesen Materialien herrschen sieht, halte ich für die
richtigen in der Ansicht vom Kriege; sie sind die Frucht eines vielseitigen Nachdenkens mit
beständiger Richtung gegen das praktische Leben, in beständiger Erinnerung dessen, was die
Erfahrung und der Umgang mit ausgezeichneten Soldaten mich gelehrt hatten.
Das siebente Buch sollte den Angriff enthalten, wovon die Gegenstände flüchtig hingeworfen
sind; das achte den Kriegsplan, worin ich die politische und menschliche Seite des Krieges noch
besonders aufgefaßt haben würde.
Das erste Kapitel des ersten Buches ist das einzige, was ich als vollendet betrachte; es wird
wenigstens dem Ganzen den Dienst erweisen, die Richtung anzugeben, die ich überall halten
wollte.
Die Theorie des großen Krieges oder die sogenannte Strategie hat außerordentliche
Schwierigkeiten, und man kann wohl sagen, daß sehr wenig Menschen von den einzelnen
Gegenständen deutliche, d. h. bis auf das Notwendige in beständigem Zusammenhange
zurückgeführte Vorstellungen haben. Beim Handeln folgen die meisten einem bloßen Takt des
Urteils, der mehr oder weniger gut trifft, je nachdem mehr oder weniger Genie in ihnen ist.
So haben alle großen Feldherren gehandelt, und darin lag zum Teil ihre Größe und ihr Genie,
daß Sie mit diesem Takt immer das Rechte trafen. So wird es auch für das Handeln immer
bleiben; und dieser Takt reicht dazu vollkommen hin. Aber wenn es darauf ankommt, nicht selbst
zu handeln, sondern in einer Beratung andere zu überzeugen, dann kommt es auf klare
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