Zoë Archer - Die Klingen der Rose Bd. 2 - Ein unwiderstehlicher Schurke.pdf

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ZOË ARCHER
DIE KLINGEN DER ROSE
EIN UNWIDERSTEHLICHER SCHURKE
Roman
Ins Deutsche übertragen von
Babette Schröder
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Für Zack:
Ein Schurke nach Maß
1
ZUFALLSBEGEGNUNG
Athen, Griechenland. 1875.
Das verdammte Problem mit der Magie war, dass er sie nicht einsetzen durfte.
Bennett Day duckte sich unter einer marmornen Platonbüste weg, die auf seinen Kopf zuflog. Sie
krachte hinter ihm gegen die Mauer, wo sie ein beträchtliches Loch zurückließ, das durchaus als die
Höhle aus dem berühmten Gleichnis des Philosophen hätte dienen können.
»Sie scheinen Platon nicht sehr zu schätzen, Kapitän«, tadelte Bennett. »Was er wohl dazu sagen
würde?«
»Du englischer Schweinehund! Ich bring dich um!«
»Nie im Leben hätte Platon so etwas gesagt.« Als sich der deutsche Schiffskapitän mit der Anmut
eines betrunkenen Bären auf ihn stürzte, wich Bennett erneut aus. Irgendwo kreischte Elena. Bennett
seufzte. Dieses theatralische Gehabe! Typisch für eine Frau, der die Schau wichtiger war als jede
Substanz.
Mit Leichtigkeit entging Bennett der Pranke des Deutschen. Ja, es wäre alles viel einfacher ge-
wesen, hätte Bennett einen Paralysezauber anwenden können, den von den Malediven vielleicht, den
er einst am eigenen Leib erfahren hatte und der so höllisch brannte. Doch durfte er weder diesen
noch einen anderen Zauberspruch benutzen. Denn er war eine Klinge der Rose, und er durfte Magie
nur dann verwenden, wenn sie ein Geschenk oder ihm von Natur aus eigen war – kurzum, so gut wie
nie.
Um wütenden Ehemännern zu entkommen, die ihn im Schlafzimmer ihrer Frauen erwischten,
bedurfte Bennett allerdings auch keiner Magie. Darin hatte er Übung. Im Allgemeinen mied er Ver-
strickungen dieser Art. Manchmal jedoch waren sie unumgänglich, vor allem, wenn er auf einer Mis-
sion war.
»Halt still!«, brüllte der Kapitän. »Kämpfe wie ein Mann!«
»Ungefähr so?«, fragte Bennett und landete einen sauberen Haken am Kinn des Deutschen. Der
bullige Kapitän taumelte zwar nach hinten, ging aber bedauerlicherweise nicht zu Boden.
Ein Auftrag der Klingen hatte Bennett nach Athen geführt, und eine Spur dort zu Elena. Ihr
seefahrender Ehemann galt als Verbündeter der vermaledeiten Erben von Albion. Über ihn konnte
Bennett herausfinden, was die Erben in Griechenland vorhatten, nach welcher magischen Quelle sie
suchten. Anhand der jüngsten Passagierliste des Deutschen wollte Bennett zunächst feststellen, ob
diese diebischen Knilche sich bereits in Athen aufhielten, und wenn ja, wer von der Bande angereist
war. Es gab zwei Möglichkeiten, an die Liste heranzukommen: Entweder brach er in das Haus des
Deutschen ein, oder er verführte die Frau des Kapitäns und ließ die Liste bei dieser Gelegenheit mit-
gehen; Bennett bevorzugte letzteres. Er verband gern das Angenehme mit dem Nützlichen.
Elena war einer Verführung ganz und gar nicht abgeneigt. Doch kaum hatte Bennett sich mit ihr
ins Schlafzimmer zurückgezogen, kehrte in einem höchst prekären Augenblick ihr Ehemann zurück.
Na ja, wenigstens war Bennett noch angezogen. Er wäre nur ungern ohne Hose durch die Straßen von
Athen gerannt.
Unglücklicherweise versperrte der Kapitän ihm den Weg zur Tür. So blieb ihm nur ein Ausweg –
das Fenster.
»Ich bin Engländer, das ist ganz richtig«, erklärte er dem Deutschen, derweil er die Entfernung ab-
schätzte. »Weniger bekannt ist, dass ich zu einem Achtel auch Grieche bin, von mütterlicher Seite her.
Ihre Familie stammt nämlich aus Olympia, dem Ursprungsort der Sportwettkämpfe des Altertums.«
»Warum erzählst du mir das, wo ich doch dabei bin, dir das blöde Grinsen aus dem Gesicht zu
prügeln?«
»Zu den Disziplinen des Fünfkampfs zählt auch …«, Elena kreischte, als Bennett zum Fenster
rannte, sich über das Geländer schwang und eine Etage tiefer in der Hocke landete, »… das Springen.«
Während er aufstand und sich den Staub von den Händen klopfte, schrie der Kapitän übelste Be-
schimpfungen zum Fenster hinaus. Elena zerrte schluchzend am Rock ihres Mannes. Sie schien ihren
Auftritt als melodramatische Heldin regelrecht zu genießen.
»Aber, Sir«, rief Bennett zu ihrem Gatten hinauf, »Sie kennen meine Schwester doch überhaupt
nicht, und deshalb glaube ich einfach nicht, was Sie da für Behauptungen über sie in die Welt posau-
nen.«
»Und deine Mutter ist eine Ziege!« Mit dieser geistreichen Bemerkung verschwand der Kapitän
vom Fenster. Doch Bennett wusste, dass Ehemänner sich in solchen Situationen selten in ihre Biblio-
thek zurückzogen, um bei einem Glas Brandy ihren Gedanken nachzuhängen. Und tatsächlich hörte
er den Kapitän schon die Treppe herunterpoltern. Auch wenn der Anstand es eigentlich geboten hätte,
beschloss Bennett, lieber nicht zu warten, bis der Mann auf die Straße herauskam.
»Eine weitere Disziplin des Fünfkampfs ist das Laufen«, sagte Bennett noch, dann stürmte er da-
von. Er tastete nach der Passagierliste und überzeugte sich, dass sie auch nach dem Sprung noch in
der Innentasche seiner Jacke steckte.
Elena und ihr Mann wohnten in der Plaka, einem der ältesten Viertel Athens. Davon zeugten die
verwinkelten Straßen, die offenbar nur zu dem Zweck existierten, Fremde in den Wahnsinn zu treiben.
Wie Zuckerwürfel stapelten sich die weißen Häuser übereinander. Bennett hastete durch die engen
gewundenen Gassen. Geschickt wich er mit Pistazienkörben beladenen Eseln aus. Aus Fenstern und
Hauseingängen fielen Männer und Frauen in das Geschrei des deutschen Kapitäns ein. Diesen Spaß
wollten sie sich keinesfalls entgehen lassen.
Das war nicht ganz das, was die Klingen mit seiner Entsendung nach Griechenland beabsichtigt
hatten. Das Telegramm hatte Bennett in Bukarest erreicht, wohin er gerade eine Quelle zurückgebracht
hatte. Mittels des Medaillons mit dem Davidstern hatte man in der Mongolei während einer Schlacht
zwischen Klingen und Erben einen Golem heraufbeschworen. Zusammen mit einigen anderen Klin-
gen – darunter Gabriel Huntley und seine Frau Thalia, die inzwischen ebenfalls in den Bund aufge-
nommen worden waren – hatte Bennett dort eine alte asiatische Quelle gegen die Erben verteidigt.
Nach einem harten Kampf hatten die Klingen ihre Mission erfüllt. Der Erbe Henry Lamb, dieses wan-
delnde Stück Kamelscheiße, war ums Leben gekommen. Sein Kumpan Jonas Edgeworth war zu sei-
nem Vater zurück nach England geflohen. Die mongolische Quelle befand sich nun wieder wohl ver-
wahrt in der Sicherheit eines Klosters tief in der Wüste Gobi.
Um Bennetts Sicherheit war es deutlich schlechter bestellt. Der Deutsche holte auf und stürzte sich
auf ihn. Flink tauchte Bennett unter den Armen des Mannes hindurch und rollte sich hinter dem Ka-
pitän auf dem Boden ab. Der Deutsche schlug ins Leere und wurde von der Wucht seines eigenen
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