Amerika 10 - Im Land der Büffel.pdf

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J. G. Kastner
Im Land der Büffel
Amerika
Band Nr. 10
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Im Land der Büffel
Das Jahr des Herrn 1863 ist eine düstere, hoffnungslose
Zeit in Deutschland. Das einfache Volk ist verarmt. Wer
Arbeit hat, schuftet für Groschen. Menschen sterben an
Hunger und Epidemien.
In dieser Zeit ist »Amerika« ein Wort der Hoffnung und
Sehnsucht – ein Land, wo jeder sein Glück machen und zu
Wohlstand kommen kann. Ein magisches Wort auch für
den jungen Handwerksgesellen Jacob Adler, der zu
Unrecht des Mordversuchs beschuldigt wird und aus
Deutschland fliehen muss.
Doch sein Leben in Amerika wird härter und
gefahrvoller sein, als er es sich in seinen ärgsten Träumen
vorzustellen vermag. Ein Abenteuer wartet auf Jacob
Adler, wie es kaum ein zweiter je erlebt hat…
***
Träge zog die scheinbar endlos lange Wagenkolonne durch die
öde, wenig abwechslungsreiche Prärie von Kansas. Der Elan,
der die Auswanderer noch beim Aufbruch am Morgen
beherrscht hatte, war verflogen. Die heiße Julisonne hatte ihn
ausgedörrt, und der von weit mehr als tausend Hufen
aufgewirbelte Staub hatte eine dicke Kruste darüber gelegt.
Der Traum in den Köpfen der Menschen aber blieb davon
unbeeindruckt. Männer wie Frauen dachten an ihre neue
Heimat, an Oregon, weit im Westen hinter den mächtigen
Gebirgszügen der Rocky Mountains, noch mehr als 2000
Meilen entfernt. Der Traum war so stark, daß er die Menschen
eine Tatsache vergessen ließ: Der beschwerliche Trail würde
seinen Tribut fordern, von Tieren wie von Menschen. Nicht
alle Wagen würden das Gelobte Land erreichen. Und auch
nicht alle Auswanderer.
Jacob Adler trieb seinen Grauschimmel an und lenkte ihn auf
einen kleinen Hügel, etwa fünfhundert Yards von der Route
des Trecks entfernt. Hier hielt der junge Zimmermann aus
Deutschland sein Pferd an, stützte sich mit einem Arm aufs
Sattelhorn, wischte sich mit dem anderen Arm die dicke
Staubschicht aus dem Gesicht und atmete tief durch. Es tat
richtig gut, Luft holen zu können, ohne mit jedem Zug die
feinen Staubpartikel einzuatmen, die Pferde, Mulis, Ochsen
und Wagenräder ununterbrochen in den blauweißen Himmel
schleuderten. Wenn er bedachte, wie ausgetrocknet der Boden
schon wieder war, erschien es Jacob wie ein ferner Traum, daß
das Land am Missouri vor wenigen Tagen noch von heftigen,
ununterbrochenen Regengüssen geplagt worden war.
Jacob genoß es, auf seinem Grauen hin und wieder in die
offene Prärie hinauszureiten, weg von dem Staub und dem
Lärm des Trecks. Nach der Mittagspause würde er für den Rest
des Tages auf dem Bock sitzen, um den Planwagen zu lenken.
Sein Freund Martin Bauer würde dann Gelegenheit haben, das
Gelände auf dem Pferd zu erkunden.
Daheim in Deutschland hatte Jacob so gut wie keine
Erfahrung mit Pferden gehabt, aber in den amerikanischen
Weiten kam ein Mann nicht darum herum, in den Sattel zu
steigen. Jacob hatte sich schnell daran gewöhnt, einen kräftigen
Vierbeiner allein durch einen kurzen Zuruf oder den Druck
seiner Schenkel zu lenken. So wie er sich an vieles Neue
schnell gewöhnt hatte.
An den Umgang mit Schußwaffen zum Beispiel, wenn er sie
auch nur im Notfall benutzte. An seiner Hüfte hing ein
schwerer 44er Army Colt, und in seinem Scabbard steckte ein
Sharps-Karabiner. Beides Beutewaffen von Quantrills
Guerillas.
Auch an die englische Sprache, deren Grundbegriffe der alte
Seebär Piet Hansen auf dem Auswandererschiff Jacob und
seinen Freunden beigebracht hatte, hatte er sich gewöhnt. Sein
Englisch wurde immer besser, je länger er gezwungen war, in
dieser Sprache zu reden. Allmählich verschwanden auch die
vielen Seemannsausdrücke, die er Hansens Lehrgang
verdankte. Manchmal träumte er schon auf englisch.
Trotz der vielen Abenteuer und Gefahren, die im großen
Amerika lauerten, spürte er, daß dies sein Land war. Vielleicht
sogar wegen all dieser Herausforderungen. Hier konnte ein
Mann beweisen, was in ihm steckte. Hier war er frei, seine
Träume zu verwirklichen. Wie es die Auswanderer vorhatten,
die mit dem Treck westwärts zogen.
Unter Jacob rollten 30 Wagen über den von vielen anderen
Trecks so stark ausgetretenen Pfad, daß auf ihm kaum noch ein
karges Büschel Präriegras wuchs. Noch brauchten sie ihren
Führer nicht, einen in Wildleder gekleideten Mann namens
Oregon Tom, der in Kansas City als Scout angeheuert worden
war. Eigentlich hieß er ja Thomas Bidwell, aber wegen der
zahlreichen Trecks, die er schon über die Rocky Mountains
nach Oregon gebracht hatte, war ihm sein Spitzname verliehen
worden.
Noch war die Spur mehr als deutlich, die die
vorangegangenen Trecks dieses Jahres hinterlassen hatten.
Mehr Trecks würden in diesem Jahr nicht folgen, jedenfalls
nicht von Kansas City aus. Die Zeit war schon zu weit
fortgeschritten. Im günstigsten Fall würde man den langen
Trail in vier Monaten bewältigen, wahrscheinlich waren aber
eher fünf, da immer mit unvorhergesehenen Zwischenfällen
gerechnet werden mußte. Wenn man in den Bergen vom
Schnee überrascht wurde, konnte dies schnell das Ende
bedeuten. Eingeschneit und verhungert – so war es schon
vielen Auswanderern ergangen.
Man hatte Jacob die – wahre – Schreckensgeschichte des
Donner-Trecks erzählt, der im Jahr 1846 den bei Fort Hall vom
Oregon Trail abzweigenden California Trail genommen hatte,
aber in die unerbittlichen Fänge des Winters geriet. Dutzende
von Menschen starben, und ihre Gefährten überlebten nur, weil
sie das Fleisch der Toten verzehrten.
Jacob schüttelte sich bei dem Gedanken daran und konnte
sich zugleich nicht so recht vorstellen, ein ähnliches Schicksal
zu erleiden. Die gnadenlos auf den Treck brennende Sonne ließ
den Winter so fern erscheinen, wie es Jacobs Heimatstadt an
der Elbe war.
Er nahm den breitrandigen Filzhut ab, um sich mit dem
grünen Halstuch den Schweiß von der Stirn zu wischen. Er und
Martin hatten auf den guten Rat Mitreisender gehört und ihre
Mützen gegen schattenspendende Hüte vertauscht. Auch das
Halstuch war Jacob sehr nützlich. Wenn die Staubwolke des
Trecks zu unangenehm wurde, zog er es vor Mund und Nase.
Der Kauf eines Hutes war für Martin von doppeltem Vorteil
gewesen. Er hätte seine Mütze wohl kaum wieder aufgesetzt,
nachdem sie in Kansas City neben der Leiche von Adam
Zachary gefunden worden war und ihn in den Verdacht
gebracht hatte, Zacharys Mörder zu sein.
Der Verlust seines Sohns hatte Adams Vater, den alten
Abner Zachary, schwer getroffen. So schwer, daß er fast selbst
zum Mörder geworden wäre, als er Martin lynchen wollte.
Seitdem wirkte der vormals so kräftige Mittfünfziger
gebrochen und um zehn, fünfzehn Jahre gealtert. Er war noch
immer Treck-Captain, Führer des Wagenzugs, aber Jacob
fragte sich, ob er es wirklich schaffen würde, 30 Wagen und
fast 200 Menschen ins Gelobte Land zu bringen, wie der alte
Prediger Oregon häufig nannte.
Jacob wünschte es ihm. Abner Zacharys Plan, eine neue
Stadt zu errichten, in der Menschen aller Hautfarben und
Religionen in friedlicher Eintracht miteinander lebten, gefiel
ihm. Der Prediger hatte seine Leute, darunter viele Schwarze,
aus dem Sklavenstaat Missouri geführt, um ihn zu
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