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DUMMHEITUNDEINSICHT
AusmeinemLebenI
vonRobertRiemann
ZweitesKapitel.
HugoRiemann.
DurchmeinganzesLebenziehtsichdieFrage:"SindSieeinSohnvonHugoRiemann?"
BeimMilit ä rwurdesiegelegentlichinsDerbeabgewandelt:"HabenSieetwasmitdem
Musikmenschenzutun?"WennwirinFrankreicheinKonversationslexikonstehensahen,
schlugenwiresaufundfandendarineinenArtikel ü berHugoRiemann.RussischeO ziere
sagtenmir,meinVaterhabeTschaikowskynichtrichtigcharakterisiert.MeinSohnTord
fandinBerlinalsStudentbeiderGattinseinesProfessorsimB ü cherschrankRiemanns
Musiklexikon,seineHarmonielehreundandereSchriften.AlsdieLeipzigerNotendrucker
eineH ä ndelfeierveranstalteten,lie ÿ ensiesichvonmireineRede ü berdiesenBarock-
meisterhaltenundwolltensichdannauchnochmusikalischeKursevonmirhaltenlassen,
woraufichentsetzterwiderte:"Ihrseidverr ü ckt!DieH ä ndelredehabeichmirgl ü cklich
ausdemMusiklexikonzusammengestoppelt,aberichbintotalunmusikalisch.Ichkenne
nochnichteinmaldieNoten."Dasglaubtensiemirnicht,sondernzogengekr ä nktab.1949
wandtesichdieGattinRomainRollandsanmich,alssiedieBriefeihresMannessam-
melte,undichmu ÿ teihrbetr ü btantworten:"EsgibtkeinenhandschriftlichenNachla ÿ
HugoRiemannsmehr."DieamerikanischenBombenhattenam4.Dezember1943alles
vernichtet,auchdie ä u ÿ erstlebendiggeschriebenenLebenserinnerungenmeinerMutter
inUrschriftundAbschrift.EinigePartiendaraus,dieichf ü rdenMusikhistorikerWil-
libaldGurlittkopierthatte,k ö nnensicherhaltenhaben,aberdasistnichtdasGanze.
VonmeinenBr ü dernundSchwesternlebtnurnochdereineMedizinerKonrad,dermir
einmalgesagthat,erhabekeinenrechtenSinnf ü rFamiliengeschichte.Pers ö nlicheEr-
innerungenkannalsovoneinigenaltenSch ü lernmeinesVatersabgesehen,nurnochich
mitteilen.DiesesKapitelhathistorischenWertunddamitAnspruchaufmehrRaumin
diesemBuchalsjedesandere.
KarlWilhelmJuliusHugoRiemannwurdeam18.Juli1849aufdemRitterguteGro ÿ -
mehlra,dasseinemVaterRobertRiemanngeh ö rte,geboren.DieserVaterhieltsichf ü r
einenHunderttausendtalermann,hatteabervierKinder,Hugo,Anna,OttoundPaul,
soda ÿ dieErbschaftjedeseinzelnennichtsehrbedeutendwar.Eswurdeebendamit
gerechnet,da ÿ jedesKindwiederreichheiratete.OttoundPaulhabendasauchgetan.
Annaheirateteabereinenunbeg ü tertenPfarrer,undmeineMutterwardieTochterei-
nesIndustriellen.,derzw ö lfKinderhatte.ImmerhinkammeinVaterganzausdemalten
nochhalbfeudalenDeutschland.Gernschilderteereinenvierzehnt ä gigenMarschdurch
Schwarzburg,dereralsTertianergemachthatte.JedenAbendwurdeaufeinemanderen
Gutbein ä heroderfernerVerwandten ü bernachtet.Schon1919warkeineinzigesvon
diesenG ü ternmehrimBesitzederFamilie.DieBesitzerhabenalsonichtgutgewirt-
schaftet,aberimmerhineinen delerenWegeingeschlagen,ihreG ü terloszuwerden,als
wenndieselben1945kon sziertundaufgeteiltwordenw ä ren.
Gewisserma ÿ enwarschonmeinGro ÿ vaterRobertausderArtgeschlagen.Erwar
einigeZeitKorpsstudentgewesenundvielleichtsogarbisweileninsKolleggegangen.Seine
gro ÿ eErinnerungwareineSchlittenfahrt,beiderertrotzgrimmigerK ä lteinUnterhosen
vorangerittenwar,weildiePl ä tterinseinewei ÿ enHosennichtrechtzeitigwiedergebracht
2 CreativeCommons-Lizenz 'TordR.Riemann,www.hugo-riemann.de, 2008
hatte.Erwareinkr ä ftiger,abersp ä ter ü berauskorpulenterMannundwurdeeinundsieb-
zigJahrealt,erblindeteaberschonzehnJahrevorseinemEnde.DerArztsagteihm,die
Erblindungk ö nnewenigstensverz ö gertwerden,wenneraufdenGenu ÿ alkoholischerGe-
tr ä nkeverzichte.DarauferwidertederGro ÿ vater:"WennichkeinBiermehrtrinkensoll,
machtmirdasLebenkeinenSpa ÿ mehr."N ä chstdemBiergeh ö rteseineganzeLiebeder
Musik.ErphantasiertestundenlangamFl ü gel,komponierteKommersliederundschufso-
gareineOper"Gismonda"imitalienischenStile.SeineFrau,Luise,geboreneKleemann,
einev ö lligunk ü nstlerische,n ü chterneundkleinlicheNatur,betrachtetediesemusikali-
scheBet ä tigungalsunstandesgem äÿ .SiezeigtebeijederGelegenheitihreMi ÿ achtung
derMusik.DieFolgewar,da ÿ sichmeinGro ÿ vatereineNebeneheinderaufdemGute
liegendenWirtschafteinrichtete,dortt ä glichmehrereStundenmusizierteundBiertrank
undsichvonderWirtinundseinerillegitimenTochterbewundernlie ÿ .DieGro ÿ mutter,
derdaseinGreuelwar,sorgtedaf ü r,da ÿ vondieS ö hneHugoundOttofr ü hausdem
Hausekamen,damitsienichtvondemunsolidenLebenswandeldesFamilienoberhauptes
angestecktw ü rden.Siewarsehrentt ä uscht,alssichmeinVaterdanndochderverha ÿ -
tenMusikzuwandte.IhrLieblingssohnwarOtto,deresbiszumGeneralbrachte.Das
tratauchsp ä terbeijederFamilienzusammenkunfthervor.DieBilderderO ziersfamilie
warenalleinsch ö nenRahmenaufgeh ä ngtoderaufgestellt.UnserePhotographienaber
warenungerahmtandieseBilderangelehnt,soda ÿ mansehrwohlsah,da ÿ sieimletzten
AugenblickausirgendeinerSchubladevorgekramtundaufgestelltwordenwaren.Mituns
warebenkeinStaatzumachen.DenUnterschiedzwischeneinemLeierkastenmannund
einemMusikgelehrtenhatmeineGro ÿ mutterniebegri en.Vermutlichhieltsieauchdie
LohkonzertedesF ü rstenvonSchwarzburg-Sondershausenf ü reineunbegrei icheEntglei-
sung.Jedenfallsgingsieniemals"insLoh",wiedieSondersh ä userzusagenp egten.
MeinVaterbesuchtezun ä chstdasf ü rstlicheGymnasiuminSondershausen.Erwar
Tertioner,alsihnseinKlassenlehrerinderAbendd ä mmerungmiteinerTochterdesweit
ü berSondershausenbekanntenBotanikersIrmischspazierengehensah.Heutzutagew ü rde
keinMenschetwasdabei nden,aberinderdamaligenEpochestumpfsinnigerPedanterie
betrachtetemaneinenAbendspaziergangmiteinemweiblichenWesenalseinmoralisches
VersehenundbelegtemeinenVatermiteinerSchulstrafe.DaraufschrieberseinemVater
einenlangenBrief ü ber"DieFreudendesLandlebens."DerGro ÿ vaterbegri dieSituati-
onvollkommen,lie ÿ anspannen,fuhrnachSondershausenundsagtemeinemaufdenKopf
zu:"DuhastdichmitDeinenLehrerngezankt!"MeinVaterbejahtedas,derGro ÿ vater
meldeteihnabundbrachteihnaufdieKlosterschuleRo ÿ leben.VonseinenSchuljahren
inRo ÿ lebenhatmeinVaterimmergeschw ä rmt,wiedasjafastalleInternatssch ü lertun.
DieBehandlungwar ä u ÿ ersthuman,derUmgangstongebildetundderSprachunterricht
ausgezeichnet.Bisinseinsp ä tesAlterlasmeinVaternichtnurlateinische,sondernauch
griechischeTextevollkommen ottundohneW ö rterbuchundwundertesichimmerwieder
dar ü ber,wiewenigindenaltenSprachenvonunsverlangtwurde.Daf ü rwarderUnter-
richtindenrealistischenF ä chern,namentlichinderMathematik,dieeinalterProfessor
Antongab, ä u ÿ erstschwach.MeinVaterhatdasabersp ä ternachgeholtundistsogar
biszurIntegralrechnungvorgedrungen.Erp egtezusagen,MathematikundMusikseien
innerlichverwandt.Zahlenverh ä ltnissespielteninbeidendieHauptrolle,ebensoaberauch
Aufbauten,architektonischeGebilde,diesichinderMusikausKl ä ngenbildeten.Erkam
danngew ö hnlichaufPythagoras,PlatoundBoethinszusprechen.Dabeigingmirerst
rechtauf,da ÿ ichunmusikalischwar,denninmeinemKopfewolltesichniemalsausden
vor ü berrauschendenKl ä ngenein ü bersehbaresGebilde,indemdieeinzelnenTeileinbe-
stimmtenVerh ä ltnissenstanden,formen.MeinVatersagte,ichh ä tte ü berhauptnurSinn
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R.RIEMANN DUMMHEITundEINSICHT AusmeinemLeben(1877-1962) 3
f ü rRhythmus,f ü rTrommelundPauke,aberkeinenf ü rsMelodische.Dashabeichdann
benutzt,ummichinderSchulevomGesangsunterrichtschonabQuartadispensierenzu
lassen.DieGesanglehrerlie ÿ ensichgerndaraufein,weilichmitmeinerRiesenstimme
solautsangwiealleanderenzusammenunddurchmeineverkehrtenT ö neallesinUn-
ordnungbrachte.DaraushabeichabernichtwiemeineGro ÿ mutterdieSchlu ÿ folgerung
gezogen,da ÿ alleMusikminderwertigsei,sondernhabesiemitEhrfurchtalseinemir
verschlosseneWeltvonau ÿ enbestaunt.Konzertehabeichnat ü rlichnichtbesucht;dann
wassollteichdort?
AlsPrimanerinRo ÿ leben ü btemeinVateraufdemKlavier,dasderPastordesOrtes
besa ÿ .DieserhattesovieleKinder,da ÿ manseineFrau"dieH ä sin"nannte.MeinVater
lernteauchdieT ö chterdesPastorskennen.Einevonihnentrafersp ä terinLeipzigals
Gattindesber ü hmtenP ä dagogenHugoGaudigwieder.DiebeidenFamilienverkehrten
dannmiteinander,undichhabeRosemarieGaudigschon,alssienochimSteckkissenlag,
kennengelernt.Alssiesp ä terdenKommunistenf ü hrerSackeheiratete,konnteichihnen
beiderEinb ü rgerungdesselbenbehil ichsein,dieihnabernichtdavorsch ü tzte,von
denNazisermordetzuwerden.MitderWitwearbeiteteichzusammen,alssieDekan
derArbeiter-undBauernfakult ä twurde.Gefallenhatesmirabernicht,da ÿ siesich
erstSacke-GaudignannteunddanndasGaudigfortlie ÿ ,weildieReformp ä dagogik
KerschensteinersundGaudigspolitischinVerrufgeratenwar.Esistschw ä chlich,seine
Herkunftzuverleugnen.Loswirdmansiejadochdadurchnicht.
WennFrauSchulratGaudigundmeinVaterzusammensa ÿ en,schw ä rmtensiesofort
vonRo ÿ leben.GanzohneKon iktkamabermeinVaterauchdurchdieseSchulenicht.
Ro ÿ lebenbekameinenneuenRektor,derdortpreu ÿ ischeZuchteinf ü hrenwollteund
deshalbdenPrimanerndenBesuchdeseinzigenCafØsverbot,dasesimOrtgab.Die
PrimanerbeschlossensichihrRechtnichtverk ü mmernzulassen,undgingeneinesNach-
mittagsalleindasCafØ.Eslagsotief,da ÿ mandieG ä stenichtsah,wennsiesa ÿ en,
sondernnur,wennsiestanden.MeinVaterhatteeineunglaublicheAbscheugegenSpin-
nen.Ihmwurdesofort ü bel,wennereinesah.AlserindemCafØPlatzgenommenhatte,
liefeinegro ÿ eSpinnequer ü berdenTischvorihm.ErfuhrindieH ö he,undindiesemAu-
genblickgingderInspektorderKlosterschuleRo ÿ lebenamFenstervorbeiundsahihn,
ebensodenNe endesOberpr ä sidentenderProvinz.DieserJ ü nglingwarunwillk ü rlich
mitaufgesprungen,alsmeinVatersopl ö tzlichindieH ö hefuhr.DerunerbittlicheRektor
erkl ä rte,da ÿ beidePrimanersofortdieAnstaltzuverlassenh ä tten,weilsieeinengerade
erstvonihmerlassenenBefehltrotzig ü bertretenh ä tten.Sowurdenbeidegescha ÿ t.Die
SachehattenochdasNachspiel,da ÿ sichderNe edesOberpr ä sidentenbeiseinemOnkel
beschwerte.DaraufwurdezwarnichtdieBestrafungaufgehoben,aberderRektorwurde
alsdrittervonseinemPostenentfernt.WahrscheinlichwardieMi ÿ achtungdesNe en
einesOberpr ä sidentenindempreu ÿ ischenMilit ä rstaateebenfallseinschweresvergehen.
DiebeidenPrimanerkonntensichalso ü berihrSchicksaltr ö sten.
SomachtemeinVaterseinAbiturnichtinRo ÿ leben,obwohlerdorteinerderbesten
Sch ü lerwar.ErundseinFreundBornstedt,denwirsp ä terinWiesbadenwiedertrafen,
warenimmerabwechselndderersteundderzweiteinderKlasse,bismanaufUnterprima
beschlo ÿ ,sienichtmehrdenPlatzwechselnzulassen.DurchdenAbgangmeinesVaters
wurdeBornstedtderunbestrittenePrimus.MeinVatermachteseinAbiturinArnstadt,
wasnachdergutenVorbereitunginRo ÿ lebeneinKinderspielwar.ErginginArnstadt
gernmitderTochterderWitwe,beidererwohnte,ineinergro ÿ enLindenalleespazieren.
DerDuftderbl ü hendenLinden,vondemdasM ä dchenschw ä rmte,wirktenichtaufseine
Geruchsorgane.Erf ü hrtedasaufseinstarkesRauchenzur ü ck,aberdashalteichf ü r
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falsch.DasRauchenisteinGenu ÿ vonGer ü chen.Bl ü tenduftwirktgeradeaufRaucher,
wieichnichtnuranmirselbst,sondernauchanvielenanderenbeobachtethabe.Die
Sacheh ö rterstauf,wennmansichdieRaucherbronchitisgeholthat,unddaskommterst
imAlter.MutterundTochterfreundetensichinArnstadtmitmeinemVatersoan,da ÿ sie
ihmzumAbschiedAnastasiusGr ü ns"Schutt"schenkten.ErhatdasExemplarderetwas
reichlichk ü nstlichenDichtungbiszuseinemTodeaufgehobenundoftdaringebl ä ttert.
DieTochterhaterauchbesungen;dennseineeigentlicheMusewardamalsnochgarnicht
dieMusik,sonderndieDichtung.KeinweiblichesWesen,dasseinenWegkreuzte,entging
demSchicksal,inVersenverewigtzuwerden.MeineMutterwarschonverwundert,als
ihrmeinVatereinesTagesalledieseEreignissevorlasundauchnochverlangte,da ÿ sie
sichdaf ü rbegeisternsollte.Eswareinbi ÿ chenviel,waserdaforderte;denngeradesie
hatteernichtbesungen,sonderngeheiratet."DieNachtigallsingtauchnurvorher,"sagt
StindesMadameBuchholz.
Nat ü rlichbehandeltemeinVaterinseinenGedichtenauchLandschaften,vorallem
aberProblemederKunst,der˜sthetik,unddasergabsehrabstrakteSch ö pfungen.Es
wargep egteEpigonendichtung,meistimStileGeibels,derdamalsalsdergr öÿ tedeut-
scheDichterbetrachtetwurde.AlsmeinVaterseineGedichteeinigeJahresp ä terdem
GermanistenWilhelmScherervorlegte,f ä lltedieserdaswahrscheinlichsehrrichtigeUr-
teil:"SiewerdenmitderZeitmerken,da ÿ mandie˜sthetikbesserinProsavortr ä gtals
inVersen."DiesemRateistmeinVatergefolgt.Esw ä reaucheinesonderbareSache,wenn
erseineHarmonielehreinVersengeschriebenh ä tte.
MeinVaterhattezwarsehrzarte,f ö rmlichTizianischeH ä nde,warabervonhohem
Wuchs.DaherdienteerseinEinj ä hrigenjahrbeimKaiserAlexanderGardeGrenadierre-
gimentinBerlinab.WenneinmalderDienstaus el,besuchteerdieUniversit ä t.Erholte
sichabereineKrankheit,laglangeimLazarettundwurdedeshalbnichtbef ö rdert.Seine
StudiensetzteerinT ü bingenfortundtratineinsehrvornehmesKorps,dieT ü binger
Schwaben,ein,dasdieGunstdesW ü ttembergerK ö nigshausesgeno ÿ .AufderMensur
verlorerdurcheinenfalschgef ü hrtenHiebdieNasenspitze,wurdeabernichtdadurch
entstellt.EristeinganzesLebenhindurchimmeroptimistisch,heiter,liebensw ü rdigund
gesellschaftlich ä u ÿ erstgewandtgewesen,soda ÿ ihnmirmeineMutteroftalsMusteremp-
fahl,wennichetwasknorrigerdurchsLebensegelte.AlsKorpsstudenterschienmeinVater
einesTagesmiteinerriesenBulldogge,dieersichgekaufthatte,undnahmdabeiBezug
aufdieallenbekannteBierredevondemEinsiedler,dervonHeuschreckenundwildem
HoniglebteundsichnuranhohenFesttageneineWurzelleistete.MeinVaterstelltealso
seinUnget ü mmitdenWortenvor:"IchhabemireineWurzelgeleistet!"Fortanhie ÿ die
BulldoggeWurzel.EinigeTagesp ä terkamderHundeh ä ndlerwieder,brachteeinezweite
Bulldoggemitundh ä ngtesieebenfallsmeinemVaterauf.SiewurdealsBruderWurzels
Radieschengetauft.SozogmeinVatermitWurzelundRadiescheninT ü bingenumher.
DabeibegegneteereinesTageseinemPriester,dessen atterndeSutaneWurzelreizte.
DieBulldoggefuhraufdenPriesterlos,derindemschwarzenUnget ü mdenTeufelzu
ahnenschien;dennerexorzisiertedasTiersofort.MeinVaterhattealleM ü he,dendurch
diefeierlichenFl ü chenochmehrgereiztenHundvondemPriesterwiederabzubringen.
Mansieht,da ÿ dieVoraussetzungenderPudelszeneinGoethes"Faust"ins ü ddeutschen
Landschaftensehrlangelebendiggebliebensind.Leute,dieesf ü rnat ü rlichhalten,dem
TeufelaufderStra ÿ ezubegegnen,sindganzgewi ÿ keineHeuchler.
WurzelundRadieschennahmenkeingutesEnde.SiewurdenvonderStaupebefallen,
vielleichtauchvomDelirium.DaskambeiKorpshunden ö ftersvor,weildiesew ä hrendder
unendlichlangenGelageindenverqualmtenR ä umenDurstbekamenundihnmitdem
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R.RIEMANN DUMMHEITundEINSICHT AusmeinemLeben(1877-1962) 5
Tr ö pfelbierunterdemFassezul ö schenp egten.DaswurdevondenbezechtenStudenten
alseinBeweisvonBierehrlichkeitbetrachtetundmitgro ÿ emJubelbegr üÿ t,bekamden
Tierenaberschlecht.WurzelundRadieschen eleneinesNachts ü berdiebeiHo mann
undCampeerschienezweiundzwanzigb ä ndigeAusgabederWerkeHeinrichHeinesher,
diesichmeinVatergeradegekaufthatte.SieknabbertenverschiedeneB ä ndeanund
fra ÿ endas"BuchderLieder"restlosauf.Amn ä chstenMorgenwarWurzeltot,und
RadieschenwurdevomTierarztget ö tet,weildiesernichtrechtwu ÿ te,obessichnicht
umTollwuthandelte.MeinVaterp egteseitdemzusagen:"Ja,HeinrichHeine!Die
Bulldoggenk ö nnenseinevergiftetenPointennichtvertragen!"
AusdiesemlustigenStudentenlebenri ÿ meinenVaterderKrieg1870/71,indemeres
nurbiszumUntero zierbrachte.Ergeh ö rtezumTh ü ringerRegiment[Warning:Image
notfound]71,unddagabeswenigGelegenheit,sichauszuzeichnen.DasRegimentwurde
infolgesonderbarerZuf ä lleimmerersteingesetzt,wenndieSacheschonbeinahevorbei
war.Daf ü rhatessichabermitgro ÿ emEiferandemFackelzugemitaufdieBajonette
gep anztenKerzennachdemSiegebeiSedanbeteiligt.DankbargedachtemeinVater
einesHauptmannesHerbst,dervoreinerAktionfolgendeRedeandieMannschafthielt:
"Kerls!DieSachewirdernst!Jetztmu ÿ ichesabergescheitanfangen,damiticheuchalle
wiedergesundnachHausebringe!"
WirklichernstwurdedieSache,alsdieParisereinenpl ö tzlichenAusfallmachtenund
geradedasDorfwegnahmen,indemdieEinundsiebzigerlagen.DieStellungenmu ÿ ten
zur ü ckerobertwerden.Daswarnat ü rlichnurunterVerlustenm ö glich,undmeinVater
glaubte,unterdenGefallenenseinenBruderOttozuerkennen,deramTagevorherbeim
Regimenteingetro enwar.GanzsicherwarmeinVaterseinerSachenicht.Ersagtezu
denO zieren,diesichdamalsnochumjedenGefallenenk ü mmerten:"Ichwei ÿ nicht,es
istdochetwasFremdesindemGesicht."DaraufbekamerdieAntwort:"Dasistimmer
so,derTodver ä ndertdieZ ü ge.Siem ü ssensichdarein nden,da ÿ IhrBrudertotist."
MeinVaternahmdieLeichemitaufseineStubeunddurchwachtebeiihrdieganzeNacht.
GegenMorgenaber elihmauf,da ÿ derTotealteStiefelanhatte.Daherholteerschleu-
nigstdenFeldwebelundsagtezuihm:"DasistmeinBrudernicht.Erhattenagelneue
Eigentumsstiefelan,alserankam.Siewerdensagen,da ÿ sieihmeinerabgezogenhat,
abersicherhatderihmdochnichtdaf ü rdiesealtenangezogen.""Aha,"sagteFeldwe-
bel,"dannistdasderLeberecht.DennanntenseineKameradenseitvorgesternimmer
denAvantageur,weilerihremBruderso ä hnlichsah,wieeinEidemanderen."Drei
Tagesp ä terkamdieGefangenenlisteheraus,dienachdendamaligen,andieKavaliersge-
wohnheitenderFeudalzeiterinnerndenGep ogenheitennachjedemGefechtausgetauscht
wurde.AnsolcheR ü cksichtendenktheuteimKriegkeinMenschmehr.MeinVaterersah
ausderfranz ö sischenGefangenenliste,da ÿ sichseinBruderinderTatalsGefangenerim
belagertenParisbefand.ErhattesichimHinundHerdesGefechtsineinHausgewor-
fen,daskeinenhinterenAusganghatte,undwarsovondenFranzosen,dieihmfolgten,
ergri enworden.InParisbekameramn ä chstenMorgeneinWei ÿ brot,daserzumFr ü h-
st ü ckverzehrte,undh ö rtedannmitEntsetzen,da ÿ esdieRationf ü rdreiTagewar.Er
mu ÿ teRing,UhrundandereWertgegenst ä ndeverkaufen,um ü berhauptetwaszuessen
zubekommen.Heuteh ä ttemanihnbeiderGefangennahmebereitsv ö lligausgepl ü ndert.
DieKriegesindindenletztenJahrzehntenimmerbarbarischergeworden.Die˜hnlich-
keitmiteinemDoppelg ä ngergiltalsromanhaftesMotiv.Hieraberhabenwirsieinv ö llig
gesicherten Ü berlieferungen.MeinVaterhatdieseGeschichtesehrofterz ä hlt,wennwir
G ä steimHausehatten.Dabeigerieter,dersonsteinsehrruhigesTemperamenthatte,
jedesmalineineAufregunghinein,indernochderSchreckenderWachtanderLeichedes
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