May, Karl - Der Schatz im Silbersee.pdf

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Microsoft Word - Der Schatz im Silbersee
Der Schatz im
Silbersee
Von Karl May
Inhalt:
Erstes Kapitel Der schwarze Panther
Zweites Kapitel Die Tramps
Drittes Kapitel Nächtliche Kämpfe
Viertes Kapitel Der Vergeltung entronnen
Fünftes Kapitel Indianisches Meisterstück
Sechstes Kapitel Ein Parforceritt im Finstern
Siebentes Kapitel Im Kampf um Butlers Farm
Achtes Kapitel Ein Drama auf der Prairie
Neuntes Kapitel List und Gegenlist
Zehntes Kapitel Am Eagle-tail
Elftes Kapitel In der Klemme
Zwölftes Kapitel Auf Tod und Leben
Dreizehntes Kapitel Edelmut Old Shatterhands
Vierzehntes Kapitel Gefangen und bereit
Fünfzehntes Kapitel Eine Indianerschlacht
Sechzehntes Kapitel Am Silbersee
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Erstes Kapitel
Der schwarze Panther
Es war um die Mittagszeit eines sehr heißen Junitags, als der
»Dogfish«, einer der größten Passagier- und Güterdampfer des
Arkansas, mit seinen mächtigen Schaufelrädern die Fluten des
Stromes peitschte. Er hatte am frühen Morgen Little Rock
verlassen und sollte nun bald Lewisburg erreichen, um dort
anzulegen, falls neue Passagiere oder Güter aufzunehmen
seien.
Die große Hitze hatte die besser situierten Reisenden in ihre
Kajüten und Kabinen getrieben, und die meisten der
Deckpassagiere lagen hinter Fässern, Kisten und andern
Gepäckstücken, welche ihnen ein wenig Schatten gewährten.
Für diese Passagiere hatte der Kapitän unter einer
ausgespannten Leinwand einen Bed-and-board errichten
lassen, auf welchem allerlei Gläser und Flaschen standen,
deren scharfer Inhalt jedenfalls nicht für verwöhnte Gaumen
und Zungen berechnet war. Hinter diesem Schenktisch saß der
Kellner mit geschlossenen Augen, von der Hitze ermüdet, mit
dem Kopfe nickend. Wenn er einmal die Lider hob, wand sich
ein leiser Fluch oder sonst ein kräftiges Wort über seine Lippen.
Dieser sein Unmut galt einer Anzahl von wohl zwanzig
Männern, welche vor dem Tische in einem Kreise auf dem
Boden saßen und den Würfelbecher von Hand zu Hand gehen
ließen. Es wurde um den sogenannten »Drink« gespielt, d.h.
der Verlierende hatte am Schlusse der Partie für jeden
Mitspielenden ein Glas Schnaps zu bezahlen. Infolgedessen
war dem Kellner das Schläfchen, zu welchem er so große Lust
verspürte, versagt.
Diese Männer hatten sich jedenfalls nicht erst hier auf dem
Steamer zusammengefunden, denn sie nannten einander »du«
und schienen, wie gelegentliche Äußerungen verrieten, ihre
gegenseitigen Verhältnisse genau zu kennen. Entgegengesetzt
dieser allgemeinen Vertraulichkeit gab es unter ihnen einen,
dem eine gewisse Art von Respekt erwiesen wurde. Man
nannte ihn Cornel, eine gebräuchliche Verstümmelung des
Wortes Colonel, Oberst. Dieser Mann war lang und hager; sein
glatt rasiertes, scharf und spitz gezeichnetes Gesicht wurde von
einem borstigen roten Kehlbarte umrahmt; fuchsrot waren auch
die kurzgeschorenen Kopfhaare, wie man sehen konnte, da er
den alten, abgegriffenen Filzhut weit in den Nacken geschoben
hatte. Sein Anzug bestand aus schweren, nägelbeschlagenen
Lederschuhen, Nankingbeinkleidern und einem kurzen Jackett
von demselben Stoffe. Eine Weste trug er nicht; an Stelle
derselben war ein ungeplättetes, schmutziges Hemd zu sehen,
dessen breiter Kragen, ohne von einem Halstuche gehalten zu
werden, weit offen stand und die nackte, sonnenverbrannte
Brust sehen ließ. Um die Hüften hatte er sich ein rotes
Fransentuch geschlungen, aus welchem die Griffe des Messers
und zweier Pistolen blickten. Hinter ihm lag ein ziemlich neues
Gewehr und ein leinener Schnappsack, welcher mit zwei
Bändern versehen war, um auf dem Rücken getragen zu
werden.
Die andern Männer waren in ähnlicher Weise sorglos und gleich
schmutzig gekleidet, dafür aber sehr gut bewaffnet. Es befand
sich kein einziger unter ihnen, dem man beim ersten Blicke
hätte Vertrauen schenken können. Sie trieben ihr Würfelspiel
mit wahrer Leidenschaftlichkeit und unterhielten sich dabei in so
rohen Ausdrücken, daß ein halbwegs anständiger Mensch
sicher keine Minute lang bei ihnen stehen geblieben wäre.
Jedenfalls hatten sie schon manchen »Drink« gethan, denn ihre
Gesichter waren nicht nur von der Sonne erhitzt, sondern der
Geist des Branntweins führte bereits die Herrschaft über sie.
Der Kapitän hatte die Kommandobrücke verlassen und war aufs
Achterbord zum Steuermann gegangen, um demselben einige
notwendige Weisungen zu erteilen. Als dies geschehen war,
sagte der letztere: »Was meint Ihr zu den Jungens, welche da
vorn beim Würfeln sitzen, Kapitän? Mir scheint, es sind Boys
von der Art, die man nicht gern an Bord kommen sieht.«
»Denke es auch,« nickte der Gefragte. »Haben sich zwar als
Harvesters (Erntearbeiter) ausgegeben, welche nach dem
Westen wollen, um sich auf Farmen zu verdingen, aber ich
möchte nicht der Mann sein, bei welchem sie nach Arbeit
fragen.«
»Well, Sir. Ich meinesteils halte sie für richtige und wirkliche
Tramps. Hoffentlich halten sie wenigstens hier an Bord Ruhe!«
»Wollte es ihnen nicht raten, uns mehr, als wir gewöhnt sind, zu
belästigen. Wir haben Hands genug an Bord, sie alle in den
alten, gesegneten Arkansas zu werfen. Macht Euch übrigens
zum Anlegen klar; denn in zehn Minuten kommt Lewisburg in
Sicht!«
Der Kapitän kehrte auf seine Brücke zurück, um die beim
Landen nötigen Befehle zu erteilen. Man sah sehr bald die
Häuser des genannten Ortes, welche das Schiff mit einem
langgezogenen Brüllen der Dampfpfeife begrüßte. Von der
Landebrücke wurde das Zeichen gegeben, daß der Steamer
Fracht und Passagiere mitzunehmen habe. Die bisher unter
Deck befindlichen Reisenden kamen herauf, um die kurze
Unterbrechung der langweiligen Fahrt zu genießen.
Ein sehr unterhaltendes Schauspiel bot sich ihnen freilich nicht.
Der Ort war damals noch lange nicht von seiner jetzigen
Bedeutung. Am Halteplatze standen nur wenige müßige
Menschen; es gab nur einige Kisten und Pakete aufzunehmen,
und die Zahl der an Bord steigenden neuen Passagiere betrug
nicht mehr als drei, welche, als sie die Passage bezahlten, von
dem betreffenden Offizier ganz und gar nicht als Gentlemen
behandelt wurden. Der eine von ihnen war ein Weißer von
hoher, außerordentlich kräftiger Gestalt. Er trug einen so
kräftigen, dunkeln Vollbart, daß man nur die Augen, die Nase
und den obern Teil der Wangen erkennen konnte. Auf seinem
Kopfe saß eine alte Bibermütze, welche im Laufe der Jahre fast
kahl geworden war. Ihre einstige Gestalt zu bestimmen, war ein
Werk der Unmöglichkeit; höchst wahrscheinlich hatte sie schon
alle möglichen Formen gehabt. Der Anzug dieses Mannes
bestand aus Hose und Jacke von starkem, grauem Leinen. In
dem breiten Ledergürtel steckten zwei Revolver, ein Messer
und mehrere kleine, dem Westmanne unentbehrliche
Instrumente. Außerdem besaß er eine schwere Doppelbüchse,
an deren Schaft, um beides bequemer tragen zu können, ein
langes Beil gebunden war.
Als er das Fahrgeld bezahlt hatte, warf er einen forschenden
Blick über das Deck. Die gut gekleideten Kajütenpassagiere
schienen ihn nicht zu interessieren. Da fiel sein Auge auf die
andern, welche vom Spiele aufgestanden waren, um die an
Bord Steigenden zu betrachten. Er sah den Cornel; sein Blick
verließ denselben sofort wieder, als ob er ihn gar nicht bemerkt
habe; aber er brummte, indem er die heruntergerutschten
Schäfte seiner hohen Wasserstiefel wieder über die mächtigen
Oberschenkel heraufzog, leise vor sich hin: »Behold! Wenn das
nicht der rote Brinkley ist, so will ich geräuchert und mit der
Schale aufgefressen werden! Der Zweck, zu welchem er sich
eine solche Schar von Boys zusammengetrommelt hat, ist
sicherlich kein guter. Hoffentlich kennt er mich nicht.«
Derjenige, den er meinte, hatte auch ihn gesehen und gestutzt.
Er wendete sich in leisem Tone an seine Gefährten: »Seht euch
einmal den schwarzen Kerl an! Kennt ihn einer von euch?«
Die Frage wurde verneint.
»Nun, ich muß ihn schon einmal gesehen haben, und zwar
unter Umständen, welche für mich nicht erfreulich gewesen
sind. Es steckt in mir so eine dunkle Erinnerung davon.«
»Dann müßte er dich doch auch kennen,« meinte einer. »Er hat
uns angesehen, dich aber dabei gar nicht bemerkt.«
»Hm! Vielleicht fällt es mir noch ein. Oder noch besser, ich
frage ihn nach seinem Namen. Wenn ich den höre, werde ich
gleich wissen, woran ich bin. Gesichter kann ich wohl
vergessen, Namen aber nicht. Machen wir also einen Drink mit
ihm!«
»Wenn er mittut!«
»Das wäre eine schandbare Beleidigung, wie ihr alle wißt.
Derjenige, dem ein Drink abgeschlagen wird, hat hier zu Lande
das Recht, mit dem Messer oder der Pistole zu antworten, und
wenn er den Beleidiger niedersticht, kräht kein Hahn darüber.«
»Er sieht aber nicht so aus, als ob er zu etwas, was ihm nicht
beliebt, zu zwingen sei.«
»Pshaw! Wettest du mit?«
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