Blaulicht 143 - Medoch, Hans-Georg - Der zweite Anruf.pdf

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Blaulicht 143
Hans-Georg Medoch
Der zweite Anruf
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1973
Lizenz-Nr.: 409-160/53/73 · ES 8 C
Lektor: Robert Kündiger
Umschlagentwurf: Peter Nagengast
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
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Die Septembersonne meinte es gut, wie weggezaubert war das
trübe Wetter der letzten Tage. Mit sommerlicher Kraft füllten
ihre Strahlen das kleine Dienstzimmer des Abschnittsbevoll-
mächtigten.
Zu ebener Erde gelegen, besaß der Raum ein Blumenfenster.
An den Pflanzen funkelten Wassertropfen, denn vor wenigen
Minuten hatte Unterleutnant Rulf die Pflanzen besprüht. Sie
waren sein Stolz, ihr Anblick machte ihn froh und zufrieden.
Damals, im Rang eines Polizeimeisters in dieses Dorf versetzt,
hatte er in seiner Freizeit die beiden winzigen Fenster seines
Arbeitszimmers in ein breites umgewandelt. Für ihn als gelernten
Maurer war das kein Problem gewesen.
Seit zwölf Jahren war Rulf ABV in diesem Dorf südlich der
Bezirkshauptstadt und in dieser langen Zeit so mit seiner Um-
welt verwachsen, daß es ihm schwerfallen würde, woanders eine
neue Funktion zu übernehmen.
Er hatte sich Ansehen in »seinem« Dorf, wie er es gern nann-
te, erworben, war hilfsbereit, geschickt und klug. Seine sieben-
undvierzig Jahre schafften ihm Vertrauen und machten es ihm
vielleicht leichter als manchem jüngeren Kollegen, der sich trotz
redlichen Bemühens oftmals als unerfahren eingestuft sehen und
es darum schwer haben mochte, von den Sorgen der Mitbürger
zu erfahren:
Rulf jedoch kannte diese Schwierigkeiten nicht, und zufrieden
mit seinem Los, saß er an seinem Schreibtisch und genoß die
nachmittägliche Ruhe des Dorfes.
Plötzlich schrillte einige Male die Klingel.
Rulf schreckte hoch. »Wer hat es denn da so eilig?« murmelte
er, als er zur Tür ging.
»Wie lange dauert denn das? Wann kommst du denn endlich?«
Franz Bärthel stand vor der Tür. Sofort drängte er hinein, so daß
Rulf Mühe hatte, ihm zu folgen.
»Du bist allein? Wo sind die Leute?« Verstört blickte Bärthel
sich um.
»Was für Leute?« Rulf stand erstaunt im Türrahmen. So kann-
te er den anderen nicht.
Bärthel, der Postmeister, wie er im Dorf genannt wurde,
knapp fünfundsechzig Jahre alt, machte sonst kaum den Mund
auf. »Wo sind sie denn nun, die Leute von der Kripo?«
»Kripo?« Rulf setzte sich erst einmal und gab auch Bärthel ein
Zeichen, Platz zu nehmen.
Das tat dieser auch, sprang aber sofort wieder auf. »Was soll
das, warum setzen wir uns hier hin? Worauf sollen wir noch
warten?«
»Ich verstehe dich nicht, Franz«, meinte Rulf, »setz dich erst
einmal und berichte mir ruhig und ausführlich, was los ist!«
Bärthel starrte entgeistert auf den Abschnittsbevollmächtigten.
»Ich habe dir doch bereits alles erzählt!«
»Mir?«
»Ja, vorhin am Telefon.«
»Am Telefon?«
»Ja, ich habe dich doch angerufen, als das passiert war, und du
hast mir gesagt…«
»Du hast nicht angerufen«, unterbrach ihn Rulf.
»Was?« schrie Bärthel, und zitternd vor Erregung stand er vor
Rulf. »Das war kein Scherz, das ist Ernst! Es ist tatsächlich…«
»Du hast nicht angerufen, jedenfalls nicht bei mir!«
Bärthels Faust donnerte auf den Tisch. Zwar starrte er dann
seine Hand entsetzt an und murmelte »Entschuldige«, legte
jedoch sogleich wieder los: »Ich habe dich angerufen, sofort
nach dem Überfall!«
Rulf schüttelte den Kopf, wurde aber nun doch aufmerksam.
»Was für ein Überfall?«
»Das habe ich dir doch gesagt!«
Rulf zog hörbar die Luft ein, sagte aber nur: »Erzähl von dem
Überfall!«
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