May Karol – Winnetou t-1 niem 1.pdf

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Band 7
Winnetou I
Über den Autor
Karl May wurde am 25.2.1842 in Hohenstein-Ernstthal als Sohn eines armen Webers geboren und war bis
zum 5. Lebensjahr blind. Als Volksschullehrer wurde May wegen Diebstahls entlassen und verbrachte
insgesamt 7 1/2 Jahre wegen Eigentumsvergehen und Betrügereien aus finanzieller Notlage im Gefängnis.
Zunächst schrieb er erzgebirgische Dorfgeschichten und Humoresken für Zeitschriften in Dresden, später
Kolportageromane. Mit seinen Reiseerzählungen, die in Nordamerika oder im Orient spielten, wurde May
berühmt. Karl May starb am 30.3.1912 in Radebeul bei Dresden.
Über die Entstehung
Ab 1892 brachte der Freiburger Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld eine Buchreihe mit Mays
Reiseerzählungen heraus. Nach dem großen Erfolg des Orientzyklus (Band 1 bis 6) kam ab 1893 die
Winnetou-Trilogie als Band 7 bis 9 hinzu. Im Gegensatz zum Orientzyklus, der bereits weitgehend als
geschlossene Erzählung vorlag, konnte May nur bedingt auf vorhandene Erzählungen zurückgreifen. Er
stellte deshalb mehrere Texte, die unter anderem im »Deutschen Hausschatz« und in »Feierstunden im
häuslichen Kreise« erschienen waren, zusammen und schrieb die Rahmenhandlung neu. Für die 1909
erschienene illustrierte Ausgabe, welche hier vorliegt, wurde die Trilogie bearbeitet. Die im Karl-May-
Verlag ab 1913 erschienen Ausgaben stellen dagegen komplette Überarbeitungen dar.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.
2. Kleki-petra. [Klekih-petra.]
3. Winnetou in Fesseln.
4. Zweimal um das Leben gekämpft.
5. »Schöner Tag«.
6. Sams Befreiung .
Herausgegeben vom Palmtop Magazin.
Textquelle: Karl-May-Gesellschaft (http://www.karl-may-gesellschaft.de)
Konvertierung: Rainer Gievers
Weitere eBooks finden Sie beim Palmtop Magazin (http://www.palmtop-magazin.de/ebook/)
Die Wiedergabe erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Karl-May-Gesellschaft
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Einleitung.
[Chromotafel (Frontispiz): "Bd. VII. Ein Schimmelhengst flog allen voran. (Zum 2. Kapitel.)"]
Lieber Leser, weißt du, was das Wort Greenhorn bedeutet? - - eine höchst ärgerliche und despektierliche
Bezeichnung für denjenigen, auf welchen sie angewendet wird.
Green heißt grün, und unter horn ist Fühlhorn gemeint. Ein Greenhorn ist demnach ein Mensch, welcher
noch grün, also neu und unerfahren im Lande ist und seine Fühlhörner behutsam ausstrecken muß, wenn er
sich nicht der Gefahr aussetzen will, ausgelacht zu werden.
Ein Greenhorn ist ein Mensch, welcher nicht von seinem Stuhle aufsteht, wenn eine Lady sich auf
denselben setzen will; welcher den Herrn des Hauses grüßt, ehe er der Mistreß und Miß seine
Verbeugungen gemacht hat; welcher beim Laden des Gewehres die Patrone verkehrt in den Lauf schiebt
oder erst den Propfen, dann die Kugel und zuletzt das Pulver in den Vorderlader stößt. Ein Greenhorn
spricht entweder gar kein oder ein sehr reines und geziertes Englisch; ihm ist das Yankee-Englisch oder gar
das Hinterwälder-Idiom ein Greuel; es will ihm nicht in den Kopf und noch viel weniger über die Zunge.
Ein Greenhorn hält ein Racoon für ein Opossum und eine leidlich hübsche Mulattin für eine Quadroone.
Ein Greenhorn raucht Cigaretten und verabscheut den tabakssaftspeienden Sir. Ein Greenhorn läuft, wenn
er von Paddy (* Irländer.) eine Ohrfeige erhalten hat, mit seiner Klage zum Friedensrichter, anstatt, wie ein
richtiger Yankee tun soll, den Kerl einfach und auf der Stelle niederzuschießen. Ein Greenhorn hält die
Stapfen eines Turkey für eine Bärenfährte und eine schlanke Sportjacht für einen Mississippisteamer. Ein
Greenhorn geniert sich, seine schmutzigen Stiefel auf die Kniee seines Mitpassagiers zu legen und seine
Suppe mit dem Schnaufen eines verendenden Büffels hinabzuschlürfen. Ein Greenhorn schleppt der
Reinlichkeit wegen einen Waschschwamm von der Größe eines Riesenkürbis und zehn Pfund Seife mit in
die Prairie und steckt sich dazu einen Kompaß bei, welcher schon am dritten oder vierten Tag nach allen
möglichen andern Richtungen, aber nie mehr nach Norden zeigt. Ein Greenhorn notiert sich achthundert
Indianerausdrücke, und wenn er dem ersten Roten begegnet, so bemerkt er, daß er diese Notizen im letzten
Couvert nach Hause geschickt und dafür den Brief aufgehoben hat. Ein Greenhorn kauft Schießpulver, und
wenn er den ersten Schuß tun will, erkennt er, daß man ihm gemahlene Holzkohle gegeben hat. Ein
Greenhorn hat zehn Jahre lang Astronomie studiert, kann aber ebenso lang den gestirnten Himmel
angucken, ohne zu wissen, wie viel Uhr es ist. Ein Greenhorn steckt das Bowiemesser so in den Gürtel, daß
er, wenn er sich bückt, sich die Klinge in den Schenkel sticht. Ein Greenhorn macht im wilden Westen ein
so starkes Lagerfeuer, daß es baumhoch emporlodert, und wundert sich dann, wenn er von den Indianern
entdeckt und erschossen worden ist, darüber, daß sie ihn haben finden können. Ein Greenhorn ist eben ein
Greenhorn - - und ein solches Greenhorn war damals auch ich.
Aber man denke ja nicht etwa, daß ich die Überzeugung oder auch nur die Ahnung gehabt hätte, daß diese
kränkende Bezeichnung auf mich passe! O nein, denn es ist ja eben die hervorragendste Eigentümlichkeit
jedes Greenhorns, eher alle andern Menschen, aber nur nicht sich selbst für "grün" zu halten.
Ich glaubte ganz im Gegenteile, ein außerordentlich kluger und erfahrener Mensch zu sein; hatte ich doch,
so was man zu sagen pflegt, studiert und nie vor einem Examen Angst gehabt! Daß dann das Leben die
eigentliche und richtige Hochschule ist, deren Schüler täglich und stündlich geprüft werden und vor der
Vorsehung zu bestehen haben, daran wollte mein jugendlicher Sinn damals nicht denken. Unerquickliche
Verhältnisse in der Heimat und ein, ich möchte sagen, angeborener Tatendrang hatten mich über den Ozean
nach den Vereinigten Staaten getrieben, wo die Bedingungen für das Fortkommen eines strebsamen jungen
Menschen damals weit bessere und günstigere waren als heutzutage. Ich hätte in den Oststaaten recht wohl
ein gutes Unterkommen gefunden, aber es trieb mich nach dem Westen. Bald auf diese und bald auf jene
Weise für kurze Zeit tätig, verdiente ich mir so viel, daß ich, äußerlich wohl ausgerüstet und innerlich von
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frohem Mute erfüllt, in St. Louis ankam. Dort führte mich das Glück in eine deutsche Familie, in welcher
ich einen einstweiligen Unterschlupf als Hauslehrer fand. In dieser Familie verkehrte Mr. Henry, ein
Original und Büchsenmacher, welcher sein Handwerk mit der Hingebung eines Künstlers betrieb und sich
mit altväterischem Stolze Mr. Henry, the Gunsmith nannte.
Dieser Mann war ein außerordentlicher Menschenfreund, obgleich er das Gegenteil zu sein schien, da er
außer der erwähnten Familie mit keinem Menschen verkehrte und selbst seine Kunden so kurz und schroff
behandelte, daß sie nur der Güte seiner Ware wegen zu ihm kamen. Er hatte seine Frau und Kinder durch
ein grausiges Ereignis verloren, über welches er nie sprach, doch vermutete ich infolge einiger seiner
Äußerungen, daß sie bei einem Überfalle ermordet worden waren. Das hatte ihn äußerlich rauh gemacht; er
wußte es vielleicht gar nicht, daß er eigentlich ein perfekter Grobian war; der Kern aber war mild und gut,
und ich habe oft sein Auge feucht gesehen, wenn ich von der Heimat und den Meinen erzählte, an denen
ich mit ganzem Herzen hing und auch heut noch hänge.
Warum er, der alte Mann, grad für mich, den jungen, fremden Menschen, eine solche
Vorliebe zeigte, das wußte ich nicht, bis er es mir einmal sagte. Seit ich da war, kam er
öfters als vorher, hörte dem Unterrichte zu, nahm mich, wenn dieser beendet war, für sich
in Beschlag und lud mich schließlich sogar ein, ihn zu besuchen. Ein solcher Vorzug war
noch keinem Andern zu teil geworden, und ich hütete mich daher, die mir gewordene
Erlaubnis auszubeuten. Diese Zurückhaltung schien ihm aber keineswegs lieb zu sein; ich
erinnere mich noch heut des zornigen Gesichtes, welches er mir eines Abends, als ich zu
ihm kam, zeigte, und des Tones, in welchem er mich empfing, ohne auf mein " good
evening " zu antworten:
»Wo habt Ihr denn gestern gesteckt, Sir?«
»Zu Hause.«
»Und vorgestern?«
»Auch zu Hause.«
»Macht mir doch nichts weis!«
»Es ist wahr, Mr. Henry.«
» Pshaw ! Solche grüne Vögel, wie Ihr einer seid, bleiben nicht im Neste hocken; die stecken die Schnäbel
überall hin, nur da nicht, wo sie hingehören!«
»Und wo gehöre ich hin, wenn es Euch beliebt, es mir zu sagen?«
»Hierher zu mir, verstanden! Habe Euch schon lange einmal nach etwas fragen wollen.«
»Warum habt Ihr es nicht getan?«
»Weil ich nicht wollte. Hört Ihr es?«
»Und wann wollt Ihr denn?«
»Heute vielleicht.«
»So fragt getrost nur zu,« forderte ich ihn auf, indem ich mich hoch auf die Schraubenbank setzte, an
welcher er arbeitete.
Er sah mir ganz verwundert in das Gesicht, schüttelte mißbilligend den Kopf und rief aus:
»Getrost! Als ob ich so ein Greenhorn, wie Ihr seid, erst um Erlaubnis fragen müßte, wenn ich mit ihm
reden will!«
»Greenhorn?« antwortete ich, die Stirn in Falten ziehend, denn ich fühlte mich bedeutend verletzt. »Ich will
annehmen, Mr. Henry, daß dieses Wort Euch ohne Absicht und nur so herausgefahren ist!«
»Bildet Euch doch nichts ein, Sir! Ich habe mit vollem Bedacht gesprochen; Ihr seid ein Greenhorn, und
was für eins! Den Inhalt Eurer Bücher habt Ihr gut im Kopfe, das ist wahr. Es ist ganz erstaunlich, was ihr
Leute da drüben lernen müßt! Dieser junge Mensch weiß genau, wie weit die Sterne von hier entfernt sind,
was der König Nebukadnezar auf Ziegelsteine geschrieben hat und wie schwer die Luft wiegt, die er doch
nicht sehen kann! Und weil er dies weiß, bildet er sich ein, ein gescheiter Kerl zu sein! Aber steckt die
Nase ins Leben, versteht Ihr mich, so ungefähr fünfzig Jahre ins Leben hinein; dann werdet Ihr, aber auch
nur vielleicht, erfahren, worin die richtige Klugheit besteht! Was Ihr bis jetzt wißt, ist nichts - ist gar nichts.
Und was Ihr bis jetzt könnt, ist noch viel weniger. Ihr könnt ja nicht einmal schießen!«
Er sagte dies in einem außerordentlich verächtlichen Tone und mit einer solchen Bestimmtheit, als ob er
seiner Sache förmlich sicher sei.
»Nicht schießen? Hm!« antwortete ich lächelnd. »Ist dies vielleicht die Frage, welche Ihr mir vorlegen
wolltet?«
»Ja, die ist es. Nun antwortet doch einmal!«
»Gebt mir ein gutes Gewehr in die Hand, so will ich antworten, eher nicht.«
Da legte er den Büchsenlauf, an welchem er schraubte, weg, stand auf, trat nahe an mich heran, fixierte
mich mit verwunderten Augen und rief aus:
»Ein Gewehr in die Hand, Sir? Wird mir nicht einfallen, ganz und gar nicht! Meine Gewehre kommen nur
in solche Hände, in denen ich mit ihnen Ehre einlegen kann!«
»Solche hab ich,« nickte ich ihm zu.
Er sah mich noch einmal, und zwar von der Seite an, setzte sich wieder nieder, begann wieder an dem
Laufe zu arbeiten und brummte vor sich hin:
»So ein Greenhorn! Könnte mich wirklich wild machen mit seiner Dreistigkeit!«
Ich ließ ihn gewähren, denn ich kannte ihn, zog eine Zigarre hervor und brannte sie an. Dann blieb es wohl
eine Viertelstunde lang still zwischen uns. Länger aber konnte er es nicht aushalten; er hielt den Lauf gegen
das Licht, sah hindurch und bemerkte dabei:
»Schießen ist nämlich schwerer als nach den Sternen gucken oder alte Ziegelsteine von Nebukadnezar
lesen. Verstanden? Habt Ihr denn jemals ein Gewehr in der Hand gehabt?«
»Ich denke.«
»Wann?«
»Schon längst und oft.«
»Auch angelegt und abgedrückt?«
»Ja.«
»Und getroffen?«
»Natürlich!«
[Illustration Nr. 1: Zum erstenmal den Bärentöter in der Hand]
Da ließ er den Lauf, den er geprüft hatte, rasch sinken, sah mich wieder an und meinte:
»Ja, getroffen, natürlich, aber was?«
»Das Ziel, ganz selbstverständlich.«
»Was? Wollt Ihr mir das im Ernste aufbinden?«
»Behaupten, aber nicht aufbinden; es ist wahr.«
»Hol Euch der Teufel, Sir! Aus Euch wird man nicht klug. Ich bin überzeugt, daß Ihr an einer Mauer
vorbeischießen würdet, und wenn sie zwanzig Ellen hoch und fünfzig Ellen lang wäre, und doch macht Ihr
bei Eurer Behauptung ein so ernstes und zuversichtliches Gesicht, daß einem darüber die Galle überlaufen
könnte. Ich bin kein Knabe, dem Ihr Stunde gebt, verstanden! So ein Greenhorn und Bücherwurm, wie Ihr
seid, will schießen können! Hat sogar in türkischen, arabischen und andern dummen Scharteken
herumgestöbert und will dabei Zeit zum Schießen gefunden haben! Nehmt doch einmal das alte Gun (*
Gewehr, Büchse.) da hinten vom Nagel, und legt es an, als ob Ihr zielen wolltet! Es ist ein Bärentöter, der
beste, den ich jemals in den Händen gehabt habe.«
Ich ging hin, langte die Büchse herab und legte sie an.
»Halloo!« rief er aus, indem er aufsprang. »Was ist denn das? Ihr geht ja mit diesem Gun wie mit einem
leichten Spazierstocke um, und doch ist es das schwerste Gewehr, welches ich kenne! Besitzt Ihr denn eine
solche Körperkraft?«
Anstatt der Antwort nahm ich ihn unten bei der zugeknöpften Jacke und bei dem Hosenbund und hob ihn
mit dem rechten Arm empor.
»Thunder-storm!« schrie er auf. »Laßt mich los! Ihr seid ja noch weit kräftiger als mein Bill.«
»Euer Bill? Wer ist das?«
»Er war mein Sohn, der - - - lassen wir das! Er ist tot, wie die Andern auch. Er versprach, ein tüchtiger Kerl
zu werden, wurde aber während meiner Abwesenheit mit ihnen ausgelöscht. Ihr seid ihm ähnlich von
Gestalt, habt beinahe dieselben Augen und auch denselben Zug um den Mund; darum bin ich Euch - - na,
das geht Euch ja doch nichts an!«
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